Winterabenteuer Flüelapass
Biwakübernachtung und Skitour mit Dominik in der Flüela-Passregion.
Unter einem Winterabenteuer versteht wohl jeder etwas anderes. Doch auf irgendeine Art und Weise wohl etwas Schönes, etwas Verzaubertes. Wie grosse Schneeflocken im Sonnenschein. Wie Fussstapfen in der Schneelandschaft. Neuverschneite Tannen bei Sonnenaufgang oder eine jungfräuliche Powder-Abfahrt im neuverschneiten Berghang. Doch auch romantische Gedanken könnten aufkommen. Wie aus einer warmen Berghütte hinausschauend in die weisse Landschaft, fern der Zivilisation und des Trubels.
Dominiks und mein diesjähriges Winterabenteuer beinhaltete einige dieser angesprochenen Aspekte. Doch kamen auch noch weniger erfreuliche wie Kälte, Ermüdung, schlechte Schneeverhältnisse und gefährliche Lawinensituation dazu. Doch mal der Reihe nach.
Sonntag, 24. Februar 2013
Die Prognose für das Samstagwetter war zu schlecht, als dass es sich lohnte, den langen Weg ins Bündnerland nach Davos unter die Räder zu nehmen. Stattdessen würden wir den Montag kompensieren.
In aller Herrgottsfrühe fuhren wir also am Sonntagmorgen bei starkem Schneefall los in Richtung Osten. Den Parkplatz in Tschuggen vor dem Flüelapass erreichten wir schliesslich mit etwa einer Stunde Verspätung um 10:00 Uhr. Doch wir hatten keine Eile und zu unserer Freude schien hier bereits die Sonne.
Auf der gesperrten Passtrasse stiegen wir dann langsam hoch in Richtung Wägerhus. Einige hundert Meter davor, bogen wir links ab und stiegen einige Höhenmeter das Müllersch Tälli hinauf in Richtung Jörgiflüelafurgga. Hier sollte unser Iglu entstehen und der Ausgangspunkt für unsere geplante Skitour am nächsten Tag sein.
Angedacht war, dass wir von hier hinauf zur Winterlücke steigen, den Flüela Wisshorngipfel erklimmen, und über den Jörigletscher hinab zu den Jöriseen fahren. Mit einem kurzen Gegenanstieg über die Jöriflüelafurgga würde sich der Kreis mit der Abfahrt zu unserem Iglu wieder schliessen.
Doch zuerst musste das Iglu gebaut werden. Aufgrund Dominiks Körpergrösse benötigte unser Iglu einen gewissen Durchmesser. Wir hatten Glück, die Schneequalität war super! Dennoch taten wir uns schwer mit dem Neigungswinkel unseres neuen Zuhauses. Immer wieder fielen einzelne, neu positionierte Steine runter, obwohl wir unsere Bauelemente schon fast millimetergenau zuschnitten.
Mit fortschreitender Zeit verliess uns die Motivation und Hoffnung, dass noch was aus dem Iglu bzw. der Dachkonstruktion werden sollte. Wir begannen über Alternativen nachzudenken. Hütten waren keine in der Nähe. Ob es einen Notraum im Wägerhus gab wussten wir nicht. Die Schneedecke war für eine Schneehöhle zu wenig tief, auf jeden Fall dort, wo wir einige Testlöcher gruben.
Sollten wir zum Auto hinunterfahren und ein Hotelzimmer in Davos suchen? Und das ganze mitgeschleppte Essen und Kochzeug? Der ganze Aufwand für nichts?
Wir konnten zwar mit der „Niederlage“ leben, doch wollten wir nicht unsere ganze Tour absagen. So entschlossen wir uns – wie richtig harte Männer – die Nacht in einem Schneebiwak zu verbringen.
Schnell waren die obersten „Steine“ des Iglus weggeschlagen und die Seitenmauern verstärkt. Als Dachlatten benutzten wir unsere Skier, Stöcke und Lawinensonden. Darüber kamen zwei Plastiksäcke, welche wir auseinanderschnitten und eine dünne Decke, welche eigentlich für den Boden gedacht war.
Befestigt wurde das Ganze mit unseren Pickeln und Harscheisen. Alles Material wurde verwendet. Darüber warfen wir schliesslich noch Pulverschnee, damit unser Dach ein wenig stabiler wurde. Doch komplett konnten wir unser Schlafgemach nicht abdecken. Als „Türe“ dienten unsere Rucksäcke.
In der Zwischenzeit war es schon dunkel geworden. Es war sternenklar und entsprechend kalt. Schon während des kochens verkrochen wir uns samt Innenskischuhen in die Schlafsäcke. Nach einem Teigwareneintopf war dann um 20:00 Uhr auch schon Nachtruhe. Was sollten wir auch machen.
Weitere Fotos vom Sonntag, 24. Februar 2013
Montag, 25. Februar 2013
In der Nacht stand ich zweimal auf um das Dach zu reparieren. Es kam ein Wind auf, welcher immer wieder unsere improvisierte Decke ramponierte. Dabei fiel natürlich auch der Blick auf die Temperaturanzeige: minus 18 Grad Celsius in unserer Bude. Draussen noch kälter!
Dieses Bewusstsein liess mich am nächsten Morgen nicht wirklich zum aufstehen motivieren, zumal sich unser Biwakplatz im Schatten der Bergkette befand. Doch in der Kälte rumliegen war auch keine Option. Aufstehen, Kaffee und Tee kochen, was kleines Essen und losmarschieren.
Um zur Winterlücke zu gelangen, mussten wir den Punkt 2507 passieren. Bereits hier lösten wir die ersten kleinen Triebschneelawinen aus. Der kürzlich gefallene Neuschnee wurde vom Wind verlassen hatte sich an den windgeschützten Stellen abgelagert. Zudem war die Oberfläche verkrustet.
Beim Erreichen des Punktes 2560 mussten wir schliesslich einsehen, dass das Lawinenrisiko zu hoch gewesen wäre um weiter zu gehen. Die noch vor uns liegende Winterlücke hatte zu steile Hänge.
Doch vor uns lagen noch gute 600 Höhenmeter Abfahrt, super Wetter mit bester Sicht. Einzig die Schneequalität war zum Skifahren alles andere als optimal. Mal eisig, mal pulverig, mal pappig, mal brüchig. Doch immerhin der „Schlusshang“ zu unserem Biwak, wo wir ein Depot eingerichtet hatten war Weltklasse!
Auf der verschneiten Flüela-Passstrasse fuhren wir dann zurück zum Autoparkplatz, wo unsere Zweitagestour zu Ende ging. Seitdem ist mein Gedankenschatz, wenn ich den Ausdruck Winterabenteuer höre, um die Wörter Kälte und Biwak reicher.