Bandspitz & Wildgärst

Ein Skitourenwochenende mit Sandro auf der Schwarzwaldalp.

Auf dem Weg zur Lücke des Wildgärsts. Auf der rechten Seite das Schwarzhorn mit seiner faszinierenden Nordwand.
Auf dem Weg zur Lücke des Wildgärsts. Auf der rechten Seite das Schwarzhorn mit seiner faszinierenden Nordwand.

Freitag, 17. März 2023

Ich war bereits im Bett, als ich am Vorabend vor dem Schlafengehen das Zugbillet für die Anfahrt nach Luzern lösen wollte. Erstaunt stellte ich fest, dass die Zugstrecke zwischen Liestal und Olten unterbrochen war. Stimmt, dachte ich mir. Auf dem Nachhauseweg vom Geschäft war ganz schön Betrieb am Bahnhof Basel SBB und die Durchsagen schallten ununterbrochen über die Lautsprecher.

Da dachte ich mir noch nichts. Doch als ich nun las, dass die Störung bis Freitagmittag dauern sollte, schreckte ich auf. Was, das dauert so lange? Ich muss doch morgen um 08:00 Uhr in Luzern sein. Sandro würde dort auf mich mit dem Auto warten!

Für den Zustieg zur Brochhütte auf den Skiern hatte es gerade noch genügend Schnee.
Für den Zustieg zur Brochhütte auf den Skiern hatte es gerade noch genügend Schnee.

Hastig tippte ich verschiedene Zugstrecken für eine Anreise nach Luzern in die SBB App ein. Immer mit dem gleichen Ergebnis, dass es keine direkte Verbindung gibt. Nach einem langen Telefonat mit Sandro entschieden wir, dass ich den Zug ab Lausen nehme. Von dort aus würden die Verbindungen intakt sein. Die Störung war also auf der Strecke zwischen Liestal und Lausen.

Grandioser Ausblick von der Borchhütte auf die Engelhörner.
Grandioser Ausblick von der Borchhütte auf die Engelhörner.

Als der Wecker am Morgen klingelte, war diese Verbindung jedoch nicht mehr verfügbar. Was sollte ich machen? Sandro war bereits unterwegs nach Luzern. Ich weckte Tanja und versuchte ihr möglichst schonend beizubringen, dass Sie mich nicht nur bis Lausen, sondern bis nach Olten fahren musste. Und das um 06:00 Uhr in der Früh. Nicht gerade die ideale Zeit um sie anzusprechen…

Aufstieg zum Bandspitz (Bergrücken in der Bildmitte)
Aufstieg zum Bandspitz (Bergrücken in der Bildmitte)

Auf dem Weg nach Olten prüften wir immer wieder, ob die Zugverbindung noch aktuell ist. Die Verbindungen von Basel nach Bern und Luzern waren extrem gestört und es war überall mit Ausfällen und Verspätungen zu rechnen.

Auch die Fahrt mit dem Auto nach Olten war abenteuerlich. Das Navi jagte uns aufgrund von Stau auf der Autobahn durch enge, steile Landstrassen hinauf zum Hauenstein. Bald war das Ziel Olten erreicht. Der Zug um 07:12 Uhr nach Zofingen war immer noch on Time und diesen erwischte ich schliesslich auch.

Ein glücklicher Skitourengeher erfreut sich der entzückenden Rundumsicht.
Ein glücklicher Skitourengeher erfreut sich der entzückenden Rundumsicht.

Endlich liess der Stress nach. Der Treffpunkt in Luzern wird funktionieren und wie Tage zuvor geplant, setzte ich mich wenig später zu Sandro ins Auto. Die Fahrt nach Meiringen und dann weiter auf die Schwarzwaldalp verlief problemlos. Wir parkierten das Auto auf dem Parkplatz der Schwarzwaldalp (Zahlautomat der nur Bargeld annimmt). Zu unserem Erstaunen war sehr wenig Schnee vorhanden.

Die ersten Meter in Richtung Brochhütte trugen wir die Skier. Dann klickten unsere Skischuhe in die Bindung der bereits mit Fell bespannten Latten. Die wunderschöne Berglandschaft lenkte uns vor der ernüchterten Tatsache ab, dass gravierend weniger Schnee als auf SLF prognostiziert und auf den Schneekarten ausgewiesen wurde.

Aufstieg mit Blick auf das Wetterhorn.
Aufstieg mit Blick auf das Wetterhorn.

Der Weg zur Brochhütte von der Schwarzwaldalp ist in ca. 10 Minuten bequem zu bestreiten. Die prächtig am Südhang liegende Hütte der SAC Sektion Oberhasli liegt 1'500 Meter hoch und umfasst einen unglaublichen Panoramablick auf die Engelhörner, das Well- und das Wetterhorn.

Wir deponierten unsere Sachen und starteten sogleich auf die geplante Skitour. Doch den geplanten Aufstieg hoch zum Grindelgrat konnten wir uns nach ein zwei Aufstiegskurven gleich abschminken. Der Blick auf die Südhänge zeigte uns Felsen, Gras und zahlreiche Steinböcke, die sich über die Frühlingstemperaturen freuend an den bereits spriessenden Gräsern und Pflanzen verköstigten. Südseitige Skitouren konnten wir also vergessen.

Frustriert suchten wir nach einem neuen Tourenziel, welches noch von der weissen Pracht überzogen war. Schnell wurden wir mit dem Bandspitz (2’401m) fündig. Dieses östlich ausgelegte lange Felsband schien ein adäquates und lohnenswertes Ziel zu sein. Auch die Steilheit des Riegels und den Weg dorthin, stuften wir als vernünftig und sicher ein. Denn in der Zwischenzeit waren Nassschneelawinen ein Thema geworden.

Am Gipfel des Bandspitz (2’401m). Attraktiver kann das Panorama nicht sein.
Am Gipfel des Bandspitz (2’401m). Attraktiver kann das Panorama nicht sein.

Tatsächlich war es dann auch so. Ein Gipfel, ganz für uns alleine, eine prächtige Sicht auf die Grosse Scheidegg, Wetterhorn, Eiger, Mönch und die Engelhörner. Dies in kompletter Stille bei windfreien, angenehmen Temperaturen. Einfach nur ein Traum. Wir gönnten uns eine ausgiebige Mittagsrast, bevor wir den herrlichen Hang hinunterfuhren. 

Bei diesem tollen Erlebnis störte es uns auch nicht besonders, dass wir im unteren Teil zweimal die Skier abziehen mussten, um über schneefreie Passagen zu kommen oder abenteuerlich ein Flussbett überqueren mussten. Ausserdem wartete auf der Brochhütte die gemütliche Sonnenterrasse, eine Brotzeitplatte und eine Flasche Weisswein auf uns.

Speckplättli auf der Sonnenterrasse der Brochhütte.
Speckplättli auf der Sonnenterrasse der Brochhütte.

Dick eingeschmiert mit Sonnencreme, verbrachten wir dann den späteren Nachmittag auf der Terrasse. Bis am Abend trafen noch vier weitere Skitourengeher ein und so genossen wir am Abend zu sechst ein Raclette, welches uns der freundliche Hüttenwart Bernhard Berchtold bereitstellte. Die Nacht verbrachten wir in einem feudalen Zweierzimmer. 

Samstag, 18. März 2023

Es war eine lange Nacht und draussen wurde es bereits Tag als wir aus unseren Betten stiegen. Vom gestrigen Raclette war ich noch so satt, dass ich am Frühstückstisch gerade mal ein Stück Brot runterkriegte. Mit dem Essen hatte ich es am Vortag definitiv übertrieben.

Um 07:20 Uhr verliessen wir die Hütte und marschierten in unseren Skischuhen den Weg in Richtung Pfanni hoch. Unser Ziel war der Wildgärst (2'891 m). Seit gestern Nachmittag hatte die Sonne und die hohen Temperaturen den Schnee noch mehr schmelzen lassen. Ein Runterfahren zur Hütte würde heute schon nicht mehr möglich sein.

Bei so einem Tagesanbruch zieht man gerne los. Links das Wetterhorn, in der Ferne Mönch und Eiger.
Bei so einem Tagesanbruch zieht man gerne los. Links das Wetterhorn, in der Ferne Mönch und Eiger.

Nach ein paar Kurven, konnten wir schliesslich das wenige Weiss das am Boden lag, mit den Skiern begehen. Der Weg zur Wildgärst war bis zum Pt. 2009 derselbe wie gestern. Von dort schritten wir durch das hübsche Tal rechterhand des Grindelbands in Richtung dem schneebedeckten Hagelseewli.

Links von uns erhob sich der Bandspitz (2'401 m), welcher gestern als unsere Abfahrtsrampe diente. Wir änderten die Richtung nach Westen und steuerten Pt. 2402 an. Von hier ging es in nordwestlichen Kurven in der Flanke zum Schlussanstieg gegen Wart (2'705 m) zu.

Fasziniert von der Nordwand des Schwarzhorens, vergasen wir die Mühen und standen schon bald auf der Lücke unterhalb des Wildgärsts. Ob es das Blaugletscherli im Schatten des Schwarzhorens noch gibt, konnten wir nicht erkennen.

Ein Blick zum Gipfel des Wildgärts zeigte kein Skifahrvergnügen. Der Schnee musste auch hier oben dem Wind und der starken, wärmenden Sonne weichen. Wir entschieden nicht bis zum Gipfel hochzusteigen und die Gunst der noch nicht so stark aufgewärmten Schneehänge für die Abfahrt zu nutzen. Wir wussten ja von gestern, wie schwer der Schnee im Verlaufe des Tages werden konnte.

Blick auf den langgezogenen Bergrücken des Bandspitzs; unser gestriges Skitourenziel.
Blick auf den langgezogenen Bergrücken des Bandspitzs; unser gestriges Skitourenziel.

Dies war die absolut richtige Entscheidung. Wir drifteten auf dem leicht angeschmolzenen Firn die Hänge hinunter in Richtung Wischbääch und hatten eine sensationelle Abfahrt bis Scheidegg Oberläger. Mit so guten Verhältnissen hatte keiner von uns gerechnet. Wir waren begeistert und glücklich, trotz den warmen Temperaturen auf so gute Verhältnisse zu treffen.

Die Fahrt dem Geissbach entlang nach Bidmen und weiter bis Schwand war abenteuerlich. Ab und zu musste auch ein Bach überquert werden. Aber das kannten wir ja bereits von gestern. Die Schlussabfahrt nach Schwarzwaldalp durften wir dann auf der breiten, mit dem Pistenfahrzeug präparierten Schlittelpiste hinter uns bringen. Besser konnte man die Skisaison nicht beenden!

Los geht es die Hänge hinunter in Richtung Wischbääch und dann weiter in Richtung Scheidegg Oberläger.
Los geht es die Hänge hinunter in Richtung Wischbääch und dann weiter in Richtung Scheidegg Oberläger.

Beim Parkplatz der Schwarzwaldalp, luden wir unsere Rucksäcke und Skier in das Auto von Sandro. Dann nahmen wir den Fussweg hoch zur Brochhütte ein weiteres Mal in Angriff, um unsere Sachen abzuholen. Wo wir gestern noch mit den Skiern hochgehen konnten, war heute nichts mehr von dem Schnee übrig. Es fühlte sich an wie ein Frühlingsspaziergang.

Auf der Sonnenterrasse der Brochhütte tranken wir noch etwas und unterhielten uns mit den anderen Skitourengehern. Wir waren uns alle einig, die Temperaturen sind viel zu hoch, zu wenig Niederschlag in diesem Jahr und dass die Saison zum Skifahren nun vorbei ist. 

Nachdem wir noch ein bisschen mehr Sonne auftankten, verabschiedeten wir uns von Bernhard, dem Hüttenwart, und liefen zum Parkplatz bei der Schwarzwaldalp zurück. Auf dem Heimweg gab es in Meiringen in der Pizzeria Leone noch eine leckere Pizza. 

Da der Bahnhof in Luzern an diesem Wochenende eine Grossbaustelle war und die Züge nur bis Emmenbrücke fuhren, brachte mich Sandro nach Zürich zum Bahnhof. Diese Fahrt war zwar mit ein wenig Stau versehen, doch so konnte ich wenigstens vernünftig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Heimreise antreten. So viele Baustellen und Zugsausfälle hatte ich schon lange nicht mehr auf meinen Reisen. Ich hoffe das war das letzte Mal in diesem Jahr.

Was die Region rund um die Grosse Scheidegg angeht… Da komme ich wieder einmal zum Skitourengehen hin. Denn die Südhänge bieten sich ungemein für weitere Aufstiege mit genüsslichen Abfahrten an und die Berglandschaft könnte schöner nicht sein!

Weitere Fotos