Skitourenwochenende Gluringen im Goms

Drei Tage – drei Gipfelversuche: Grathorn, Balshorn & Tällistock

Aufstieg zum Blashorn
Aufstieg zum Blashorn

Samstag, 04. Februar 2023 - Grathorn

Die Anfahrt nach Gluringen im Goms fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Vermutlich hatte es mit den Situationen zu tun, welche ich unterwegs erleben durfte. Es war nasskalt, als wir mit dem Auto losfuhren. Am Bahnhof in Liestal hatte weder die Bäckerei noch der Migrolino geöffnet und infolgedessen gab es keinen Kaffee. Stattdessen wartete ich im Regen auf dem provisorischen Perron, welches aufgrund der Bauarbeiten, über kein Dach verfügte.

Besserung versprach der Bistrowagen, wo ich zwar einen ungemütlichen, doch immerhin einen Sitzplatz, ergattern konnte. Aber auch hier fand ich die gesuchte Ruhe nicht. Rings um mich herum waren die Menschen nur am Nörgeln und die mufflige Luft war elektrisch geladen.

Gluringen: Ein unverfälschtes Bergdorf, welches seine Ursprünglichkeit bewahren konnte.
Gluringen: Ein unverfälschtes Bergdorf, welches seine Ursprünglichkeit bewahren konnte.

Nach dem Kaffee setzte ich mich in ein normales Zugabteil und fand langsam gefallen an der Reise. In Bern wechselte ich in den Zug nach Brig und dort schliesslich in die komplett überfüllte Matterhorn Gotthard Bahn.

Vis-a-vis von mir sass ein älteres Homo-Pärchen, welches die ganze Fahrt über ununterbrochen miteinander schwatzten. Vom täglichen Kochen mit top Rezepten bis hin zu den Erlebnissen der letzten fünfzehn Jahre wusste ich bereits nach 45 Minuten alles von den beiden. Dies obwohl ich meine Apple-Kopfhörerknöpfe tief in meine Ohren bohrte und Musik in Open-Air Lautstärke wahrnahm. Oder eben nicht.

Draussen schneite es locker flockig. Von dem, die ganze Woche angepriesenen, schönen Wetter keine Spur. Auch das Sonnensymbol auf der Wetter-App war plötzlich verschwunden. Als ich um 10:15 Uhr den Stopp-Knopf für das «Halt auf Verlangen» der Bahnstation Gluringen drückte, nahm ich mir vor, der Wettersituation positiv entgegen zu sehen. Schliesslich versprach das Hotel Walliser Sonne den erhofften Sonnenschein.

Im Aufstieg oberhalb von Niwi Hitta.
Im Aufstieg oberhalb von Niwi Hitta.

Der Weg zum Hotel war mit Neuschnee bedeckt. Ich trat meine Spuren in das neue Weiss und schritt durch das kleine, unverfälschte Bergdorf mit sehr viel Charme. Das schöne ist, dass hier wirklich alles noch seine Ursprünglichkeit hat und keine modernen Gebäude in der 145 Seelengrossen Gemeinde erbaut wurden.

Unser Zimmer war bereits bezugsbereit und auch Sandro, welcher einen anderen Anreiseweg hatte, traf wenig später ein. Wir diskutierten hin und her, welche Tour wir heute unternehmen sollten. Für das angedachte Ritzihorn im Nordwesten lag im unteren Teil fast zu wenig Schnee und auch der unbeständige Wetterbericht war weniger optimistisch als die Gipfel auf der Südostseite.

Wir entschieden uns für das Grathorn (2’672m), dessen Tour von Reckingen ausgeht. Dank dem Neuschnee konnten wir gleich vor der Haustüre mit den fellbestückten Skiern losgehen und querfeldein nach Reckingen traversieren.

Spassige Abfahrt im Neuschnee
Spassige Abfahrt im Neuschnee

Für den Aufstieg folgten wir mehr oder weniger der Abfahrtslinie der SAC beschriebenen Skitour. Schliesslich trafen wir auf den Wanderweg und stiegen durch dichten Wald den Berg hoch. Teilweise waren die Waldabschnitte so dicht, dass wir uns fragten, wie wir hier wohl wieder runter kommen würden.

Ein wenig oberhalb von Niwi Hitta hielten wir kurz unter einer dichten Tanne an, um zu snacken. Es schneite und windete noch immer und wir waren froh, eine Aufstiegsroute im Wald ausgewählt zu haben.

Oberhalb von Urschgestafel traten wir aus dem Wald. Erstaunlicherweise liegt die Baumgrenze hier im Goms auf 2‘100 Metern. Wenn man das nicht weiss und man sich, so wie ich, während des Aufsteigens an den Bäumen orientiert, hat man das Gefühl gar nicht vorwärts zu kommen.

Fondue im Hotel Walliser Sonne
Fondue im Hotel Walliser Sonne

Auf dem Kamm des Bidmers blies es uns fast davon. Die Temperaturen lagen etwa bei -10 Grad und der verwehte vom Wind hartgedruckte Firn lud nicht zur freudigen Abfahrt ein. Kurz unter dem Gipfelkreuz des Mannlibodens entschieden wir umzudrehen. Während des Abfellens bliesen uns die Windböen beinahe um. Es war saukalt.

Die Fahrt hinunter war lustig und in den Mulden fanden wir auch einige sehr gut zu befahrende Pulverhänge. Abenteuerlich ging es durch dichte Bäume und auch Gestrüpp, bis wir schliessen bei Pt. 1403 oberhalb von Chruzriti aus dem dicken Dschungel raus- und den Hügel zum Bahnhof von Gluringen runterfuhren.

Zum Abendessen gab es Fondue im Hotelrestaurant der Sonne, ehe wir unser morgiges Tourenziel festlegten und alles herrichteten. Draussen war es in der Zwischenzeit klar geworden und der Vollmond schien heller als die Sonne es heute tat. Hoffentlich bleibt die Wetterlage so.

Sonntag, 05. Februar 2023 - Blashorn

Um 07:30 Uhr sassen wir beim Frühstück und kippten einen Kaffee nach dem anderen runter. Es gab ein reichhaltiges Buffet, dass sich mit den teureren und höher klassifizierten Hotels durchaus messen konnte.

Im Aufstieg zur Senntumhitte. Die Sonne ist zum greifen nahe :-)
Im Aufstieg zur Senntumhitte. Die Sonne ist zum greifen nahe :-)

Unser heutiges Gipfelziel war das Blashorn (2‘777m). Wieso der Gipfel diesen Name trug, würde ich im Verlauf des Tages verstehen. Doch der Reihe nach. Vor der Hoteltüre, ging es erneut mit den Skiern den Hügel runter. Dieses Mal zur Busstation von Gluringen. Der Linienbus brachte uns um halb neun Uhr ins nahegelegenen Ulrichen von wo aus wir die Tour starten.

Wir folgten der Strasse in südöstlicher Richtung zum Kraftwerk und dann den Hügel hoch zur Senntumhitte. Wir hatten Glück, die Route war bereits gespurt und somit konnten wir unsere Kräfte schonen.

Vorbei an der Niwhitte erreichten wir bald die Baumgrenze und somit Randstaffel. Das Wetter war herrlich und die Aussicht ebenso. Mit einem guten Gefühl, den Gipfel mit einigen Kraxeleinlagen zu erlangen, schritten wir Mällige zu.

Beim Aufstieg zum Pt. 2665 war noch alles bestens, doch dann kehrte das Wetter vom einen Moment zum anderen. Die Sicht wurde so schlecht, dass wir keine 5 Meter mehr weit sehen konnten. Gerade hatten wir den nur 100 Meter von uns entfernten Gipfel noch im Visier, so befanden wir uns jetzt in einer Steilstufe und konnten uns nicht mehr orientieren.

Kaum verliessen wir die Baumgrenze fängt es auch schon zu Blasen an. Im Hintergrund der Vorgipfel des Blashorns.
Kaum verliessen wir die Baumgrenze fängt es auch schon zu Blasen an. Im Hintergrund der Vorgipfel des Blashorns.

Würde das Wetter nochmals wechseln? Wir versuchten den Sattel bei Pt. 2736 zu erreichen, doch wir hatten keinen Orientierungspunkt mehr. Ob es nun rauf oder runterging und wo sich wohl der ersehnte Punkt befand konnte uns nur noch das Navi ungefähr mitteilen.

Die Verhältnisse waren innerhalb von 15 Minuten so schlecht geworden, dass wir keine andere Wahl als den Rückzug auf der Aufstiegsspur hatten. In Gedanken fluchend und enttäuscht, rutschen wir buchstäglich die zuvor begangene Aufstiegsspur runter.

Erst auf einer Höhe von 2'500 Meter war die Sicht wieder akzeptabler. Da das Gelände jedoch schwer zu lesen war und aus lauter Mulden, Hügeln und Geröllfeldern bestand, mussten wir immer wieder das Navi konsultieren, um auf der richtigen Abfahrtsroute zu bleiben.

Mit dem Erreichen der Oberwaldblase traten wir aus der Nebelschicht heraus. Rings um uns waren die Berge in eine dicke Wolkendenke gehüllt. Es war die richtige Entscheidung umzudrehen. Für das Gipfelerlebnis waren wir um eine Stunde zu spät unterwegs.

Unsere Erwartung, nun noch eine spassige Abfahrt durch den Bawald erleben zu dürfen, wurde leider auch nicht erfüllt. Im Gegenteil; die Abfahrt durch den dichten Wald mit wenig Schnee wurde zur Tortur und zum Feind unserer Skibeläge.

Immer wieder mussten wir Anhalten, um über Baumstämme zu steigen. Im unteren Teil zogen wir sogar die Skier ab und stiegen den steilen Waldhang mit den Skischuhen runter. Nach einem schier endlosen Abstieg erreichten wir endlich die Ortschaft Unterwassern und später Oberwald, die letzte Siedlung vor dem Grimsel- und Furkapass.

Bereits im Vorfeld hatten wir dort die Pizzeria Al Ponte ausfindig gemacht zu der wir nun unterwegs waren. Unsere Idee war es nämlich dort anzufragen, ob wir morgen unsere Reisetaschen deponieren dürfen, während wir eine Skitour von Oberwald aus unternehmen würden.

Beim ersten Anlauf war dies nicht möglich, da die Garderobe keinen Platz für unsere Taschen bot. Doch beim erneuten Anfragen, ob wir diese auf der nicht benutzten Terrasse deponieren dürften und wir danach auch sicher auf eine der leckeren Pizzas vorbeikämen bekamen wir das OK.

Kurz vor Pt. 2736. In den nächsten Minuten wird die Sicht so schlecht, dass wir umkehren müssen.
Kurz vor Pt. 2736. In den nächsten Minuten wird die Sicht so schlecht, dass wir umkehren müssen.

Nach ein paar Bierchen und einer Pizza, fuhren wir am späteren Nachmittag mit dem Bus zurück nach Gluringen. Am Hoteleingang begrüsste uns ein freundliches Schild mit der Information, dass das Restaurant heute geschlossen hat. 

Im Restaurant Gommerhof fanden wir am Abend noch einen (telefonisch vorreservierten) Tisch für das Abendessen. Zum Glück, denn ohne die Mobilität eines Autos wären wir ganz schön aufgeschmissen gewesen.

Sonntag, 05. Februar 2023 – Tällistock

Noch vor dem Frühstück bereiteten wir alles auf unsere Abreise und die bevorstehende Tour vor. Auch das Check-Out war schnell erledigt. So hatten wir genügend Zeit, uns dem ab 07:30 Uhr servierten Frühstück zu widmen.

So stellt man sich die Winterlandschaft vor :-)
So stellt man sich die Winterlandschaft vor :-)

Mit dem Bus ging es dann von Gluringen nach Oberwald. Wie ausgemacht, deponierten wir unsere Taschen auf der Terrasse des Restaurant Pizzeria Al Ponte. Dann starteten wir los auf unsere Tour, welche uns auf den Vorgipfel des Tällistocks bringen sollte.

Wir durchquerten Unterwassern und gelangen über die Brücke bei Stallbiine auf die andere Seite des Flusses Goneri. Hier folgten wir den zahlreichen Spuren hinauf auf den bei Wanderern, Schneeschuh- und Ski-Tourengeher gleichermassen sehr beliebten Hungerberg.

Halt bei der Berghütte Hungerberg im Aufstieg zum Tällihorn.
Halt bei der Berghütte Hungerberg im Aufstieg zum Tällihorn.

Grund der Beliebtheit ist sicherlich nicht nur die umliegende Natur und der schöne Ausblick ins Tal. Nein, Hungerberghütte mir Ihrer grossen Sonnenterasse lädt hier jeden ein. Uns sogar bereits beim Aufstieg. Ein weiterer Kaffee kann nie schaden.

Olli im Aufstieg zum Tällihorn. Darunter das weite Gomser-Tal.
Olli im Aufstieg zum Tällihorn. Darunter das weite Gomser-Tal.

Zurück auf den Tourenskiern, mussten wir schon bald wieder einen Stopp einlegen. Denn die Sonne wärmte uns ganz schön und beim Aufsteigen kamen wir ins Schwitzen. Mit der Windjacke im Rucksack ging es dann weiter im Zick-Zack in Richtung Galestafel.

Der Weg bis zum erstrebten Gipfelkreuz bei Pt. 2506 war nicht mehr weit. Dort angekommen, genossen wir das sonnige Wetter und die Weitsicht in alle Richtungen. Dann machten wir uns startklar und brachen auf zu einer sensationellen Abfahrt.

Rast am Gipfelkreuz bei Pt. 2506
Rast am Gipfelkreuz bei Pt. 2506

Die Schneequalität war bestens und wir konnten dank dem Schneefall der vergangenen Tage auch neue Linien in die weissen Pulver zeichnen. Dass wir nochmals bei der Hungerberghütte einkehrten war beschlossene Sache. Für die schlechten Wetterverhältnisse der letzten Tage wurden wir heute entschädigt.

Schliesslich trafen wir wieder in der Pizzeria Al Ponte ein, zogen uns um und assen dort ein spätes Mittagessen. Beim Bahnhof Oberwald trennten wir uns und jeder ging seinen eigenen Weg in Richtung Heimat.

Und los geht die Fahrt hinunter nach Oberwald.
Und los geht die Fahrt hinunter nach Oberwald.

In Brig am Bahnhof gönnte ich mir dann noch ein paar Suonen-Bräu der Bierbrauerei Ausserberg. Ein Ausflug ins Wallis kann besser so nicht beendet werden. Herrlich – so wie die heutige Tour!

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