Von Salzburg nach Wien
Montag, 26. April 2023 – Etappe 11: Weissenbach an der Triesting -> Mödling/Wien Hbhf (40/55 km)
Ein letztes Mal den kleinen Rucksack packen, Sonnencreme einstreichen, die Schuhe anziehen und losmarschieren. Noch kann ich es nicht glauben, dass dieses Leben heute Abend vorbei sein wird.
Ich verliess das Gasthaus mit dem lustigen Namen und war um 06:00 Uhr bereits in Weissenbach. Der Weg führte mich nördlich nach Neuhaus und dann kreuz und quer über Wiesen und durch Wälder zur Schwechat. Dort fand ich im schattigen Biergarten der Augustinerhütte einen willkommenen Rastplatz. Es gab eine Cola und eine hausgemachte Ribisel-Torte.
Gestärkt ging es nun einige Kilometer der Schwechat entlang. Auch Beethoven war hier sehr viel unterwegs und hatte sich von der Natur inspirieren lassen. Dies führte auch dazu, dass dieser Wanderweg nach ihm benannt wurde. Eines der bekannten Zitate, welches er hier verfasst hatte, war:
“Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: Heilig, heilig! – Im Walde entzücken! Wer kann alles ausdrücken! – Süsse Stille des Waldes! … Der Wind, der beim zweiten schönen Tag schon eintritt, kann mich nicht in Wien halten, da er mein Feind ist."
(Ludwig van Beethoven, Sommer 1806, in Baden)
Ich blieb dem wunderschönen Beethoven Weg bis zur Ortschaft Baden treu. Dort machte ich einen kurzen Abstecher, um den historischen sowie schönen Ortskern einen Besuch abzustatten. Ein weiterer Grund war auch, dass ich mein Taschenmesser und die Schere aus der Apotheke am Postschalter aufgeben wollte. Da ich nur mit Handgepäck fliegen werde, konnte ich diese verbotenen Dinge nicht mitnehmen! Ich stellte es mir jedoch einfacher vor, als es ist, einen dickeren Brief von einem EU-Land in die Schweiz zu schicken. Dass Ausfüllen der Zollformalitäten benötigte einiges an Zeit, welche ich eigentlich für das Wandern und dem Erreichen meiner Tagesetappe einsetzen wollte!
Auf jeder Etappe gibt es immer eine Überraschung. Die heutige war der unerwartete Routenverlauf in Richtung Wien. Ich hatte mich noch gewundert, was das für seltsame Linien auf der Landkarte waren. Nun wusste ich es: Weinfelder! Mein Weg führte inmitten durch diese herrliche Weinberglandschaft. Das Interessante daran war, dass der Weg immer einer Hochquellenleitung entlangging. Daher wird er auch Wasserleitungsweg genannt, welcher gemäss Recherchen ganz Wien versorgt:
“Das Wasser fliesst durch 2 Hochquellenleitungen im freien Gefälle ohne eine einzige Pumpe nach Wien. Die I. Hochquellenleitung fördert 220 Millionen Liter täglich. Die Distanz zwischen der entferntesten Quelle - der Pfannbauernquelle - und Wien beträgt 150 Kilometer. Innerhalb von 24 Stunden fliesst das Quellwasser von dort bis zum Wasserbehälter Rosenhügel in Wien.” (Link zur Quellenangabe)
Es war landschaftlich sehr schön und auch angenehm hier entlang zu gehen. Einzig die immer stetig steigenden Temperaturen machten mir zu schaffen. An windstillen Orten fühlte es sich an wie in der Wüste. Sicherlich gut für die Trauben; schweisstreibend für mich. Das tolle war, dass es fast jeden Kilometer einen Wasserhahn hatte. Schliesslich sprudelte unter mir kühles Trinkwasser.
Trotz aller guten Absichten, ganz in die Wienerstadt hineinzulaufen, entschloss ich mich beim Vorort Mödling auf die S-Bahn zu wechseln. Die Temperaturen waren zu hoch, um in den Strassen und auf Asphalt zu gehen. Es war nur noch eine Quälerei, die keinen Sinn ergab. Wandern durch die Agglomeration ist eh nicht so mein Ding.
Kurz vor 16:00 Uhr erreichte ich den Hauptbahnhof von Wien. Mission completed - Österreich ist durchwandert, die Komplettstrecke Basel - Wien hinter mich gebracht. 388 Kilometer zu Fuss, und die letzten 15 Kilometer mit der Bahn: Total 403 Kilometer in 11 Tagen.
Mit dem Flughafen-Shuttle gelangte ich wenig später vom Bahnhof zum Flughafen Wien-Schwechat. Da ich früh dran war, gönnte ich mir einen Eintritt in die Sky Lounge. Dies nicht nur, weil ich hungrig und durstig war, sondern vor allem deswegen, weil man da duschen konnte. In meinem “verschwitzten” Zustand wäre ich für die Flugzeugpassagiere eine Zumutung gewesen. Im privaten Duschraum lagen sogar zwei Handtücher für mich bereit.
Nachdem ich mir beim All-you-can-eat-and-drink-Buffet den Bauch vollgestopft hatte, machte ich mich auf zum Gate. Dort wurde mir mitgeteilt, dass der Flug eine Stunde Verspätung hatte. Egal, ich musste heute nichts mehr erreichen. In Basel holte mich dann Papa ab und so kam ich doch noch zu einer humanen Zeit ins Bett. Denn ab dem nächchsten Tag war alles wieder normal; zumindest solange, bis die Wanderung in Wien weitergeht.
“Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger und eine neue Idee mehr zu haben.”
Thomas Morus (1478 - 1535)