Bergamasker Alpen

Klettern in den Bergamasker Alpen

Ein fünftägiger Kletter- und Campingaufenthalt in den Alpi Orobie am Lago di Éndine.

Olli auf der Bottiglione
Olli auf der Bottiglione

Donnerstag, 24. Mai 2018

Für die diesjährigen gemeinsamen Kletterferien hatten Dominik und ich die Bergamasker Alpen ausgesucht. Sie lagen nahe, es herrschte dort um diese Jahreszeit ein mildes Klima und sie waren für uns bislang völlig unbekannt. Der Kletterführer stellte einige tolle Kletterspots in Aussicht. Von zahlreichen zentral gelegenen Klettergärten bis hin zu wilden Sachen in den höher gelegenen Bergen bot die Region alles.

Ein weiterer Pluspunkt bestand zudem darin, dass wir flexibel an- und abreisen konnten. Wir würden mit Alois (VW-Bus von Dominik) und einem Zelt auf einem Campingplatz hausen.

Im Klettergarten von Casazza
Im Klettergarten von Casazza

Die Anfahrt erfolgte an diesem Donnerstagmorgen via Luzern, Gotthard, Como, Milano bis Bergamo. Dann folgten wir der SS42 bis zum Lago di Éndine, wo wir zwei Tage vorher unseren Aufenthalt auf dem Camping La Tartufaia angemeldet hatten. Alles in allem waren wir mit diversen Pausen sechs Stunden unterwegs.

La Tartufaia lag unterhalb der Ortschaft Ranzancio und oberhalb der Hauptstrasse, welche dem See entlang führte. Wir hatten Glück und die Besitzerin war trotz Mittagspause anwesend. So konnten wir reinfahren und einen Platz aussuchen.

Abendessen im Campingrestaurant
Abendessen im Campingrestaurant

Schnell stellten wir das Zelt auf und räumten den Bus um. Denn wir wollten noch was von dem Tag haben. Nicht unweit befand sich der Klettergarten Casazza der gleichnamigen Ortschaft. Der Spot wies riesige Platten auf, die ab und an mit Leisten und Löchern strukturiert waren. Nicht nur der Spot mit Feuerstelle, top angeschriebenen und abgesicherten Routen und einer kurzen Zustiegszeit von fünf Minuten sprachen für den Ort, nein auch die beachtlichen, homogenen Seillängen von 27 bis 30 Metern machten den Spot zu einem tollen Klettererlebnis.

Auf dem Camping La Tartufaia am Lago di Éndine
Auf dem Camping La Tartufaia am Lago di Éndine

Dies war für den ersten Tag ideal, um ein paar Moves zu machen und uns an die Umgebung zu gewöhnen. Wir kletterten jeweils beide die folgenden Routen:

  • La Bidonvia 5c/5c
  • Viagra no grazie 5c/6a
  • Remember 6a+/6+
  • Fantazie 5a/4+

Das Abendessen gab es im Campingrestaurant. Frische Pasta - was für ein Ferienauftakt!

Weitere Fotos vom Donnerstag, 24. Mai 2018

Freitag, 25. Mai 2018

Die Nächte verbrachte ich im Zelt und Dominik im Bus. Für die Bequemlichkeit war natürlich gesorgt. So hatte ich von zu Hause meine Matratze mitgenommen und im grossen Vorzelt noch eine Schlafkabine installiert.

Das einzige was nachts und tagsüber störend wirkte war der Verkehr der nahegelegenen Strasse. Zahlreiche Lastwagen und laute Motorräder fuhren dem Lago Éndine entlang in Richtung Lovere und dem Lago d'Iseo. Dies wertete den Camping und auch die liebliche und sehr schöne Umgebung deutlich ab.

Auf dem Weg zum Torrione Brassamonti (im Hintergrund)
Auf dem Weg zum Torrione Brassamonti (im Hintergrund)

Doch zum gross darüber nachdenken hatten wir keine Zeit. Heute wollten wir hoch auf die Bergamasker Berge und ein wenig alpines Feeling schnuppern. Das Wetter versprach sommerlich warm zu werden.

Über zahlreiche Pässe tuckerten wir hoch zur Ortschaft Alben. Hier befand sich weit oberhalb der Torrione Brassamonti. Der markante Felsturm aus Kalkstein war wegen der hohen Lage und seiner Ausrichtung ideal für heisse Sommertage und bot zudem ein traumhaftes Panorama über die Gegend von Oltre il Colle. Der auf rund 2'000 Meter Höhe gelegene Monolith bestand aus ausgezeichnetem Fels, der in seiner Färbung von dunkelgrau bis gelb in den Überhängen variierte. Am Fuss des Felsturms lag auch ein Biwak der Sektion Seriana des CAI, wo man übernachten konnte.


Der Aufstieg von der Ortschaft Zambla Alta, wo wir parkierten und losliefen, dauerte locker eine Stunde und kostete uns einige Höhenmeter in den Beinen. Wir waren lange unsicher, ob wir uns auf dem richtigen Pfad befanden, doch schliesslich erreichten wir die senkrecht aufstehende Felsrippe.

Leider waren viele Routen in den Ritzen und Löchern noch feucht. Andere Kletterer erzählten uns, dass es hier oben fast jeden Tag regnen würde. Halleluja – hoffentlich heute nicht zu bald! Einige Wolken bildeten sich bereits an den umliegenden Bergspitzen.


Als erstes versuchten wir uns in der Route Bianchetti (6a). Doch das obere Drittel war noch dermassen feucht, dass wir von Bohrhaken zu Bohrhaken bescheissen mussten. Dies war nicht die Absicht und so entschieden wir uns für die sehr lohnenswerte Mehrseilroute Via de L'ombrela (3c, 5b, 5c, 4c). Dank dem tieferen Schwierigkeitsgrad durfte es hier auch mal einen Abschnitt feucht sein.

Vom Gipfel hatten wir eine tolle Aussicht auf das Tal und die umliegenden schroffen Berge. Wir wählten den Fussabstieg bis hinunter zur Hütte, wo wir anschliessend zu Mittag assen. Nach kurzer Pause stiegen wir weiter ab zum Auto, denn wir wollten einem weiteren markanten Felsturm heute noch einen Besuch abstatten.


Wir fuhren ein paar Kilometer weiter in Richtung der Ortschaft Oltre il Colle, wo wir uns auf die Suche nach der sogenannten Bottiglione (bottiglia bedeutet Flasche) machten. Doch der Kletterführer gab komplett falsche Koordinaten für diesen Felsturm an. Nur durch Zufall entdeckten wir ihn ein paar Kilometer von unserer Position entfernt. 

Schliesslich erreichten wir die Flasche, welche eher einem P**** glich. Der 20 Meter hohe Kalksteinmonolith ist das Symbol von Oltre il Colle. Mehrere Routen führen im moderaten Schwierigkeitsgrad hinauf. Wir kletterten Via normale 4c und Via difficile 6a und liessen dabei diverse automatische Fotos erstellen.

Der Felsturm war eines der Highlights unseres Aufenthalts in den Bergamasker Alpen. Nicht zuletzt hatten wir dies auch dem grossartigen Wetter zu verdanken.

Die Bottiglione
Die Bottiglione

Am Abend lebten wir unsere Campingleidenschaft aus und grillierten Pferdesteaks, zu welchen es Polenta gab. Natürlich durfte das feine italienische Moretti-Bier nicht fehlen! Auf den gekauften lokalen Wein hätten wir jedoch verzichten können. Der schmeckte nicht besonders, half jedoch beim einschlafen.

Weitere Fotos vom Freitag, 25. Mai 2018

Samstag, 26. Mai 2018

Heute wollten wir den bekannten Klettersport Albino besuchen. Einige Klettergenossen, welche wir die letzten Tage angetroffen hatten, schwärmten von dem Spot bei Albino. Da mussten wir also auch mal hin. 

Über zahlreiche Hügel mit engen Strassen und noch engeren Kurven erreichten wir schliesslich das Gebiet nach einer Stunde Autofahrt. Doch wir waren nicht alleine! Gerade heute Samstag fand dort ein grosser Kletterevent statt und zahlreiche Kletterinnen und Kletterer waren bereits eingetroffen.

Hier startet der Wanderweg hoch zu den Kletterfelsen von Cornagera
Hier startet der Wanderweg hoch zu den Kletterfelsen von Cornagera

Auf dieses „Scheiaweia“ hatten wir keine Lust. Enttäuscht fuhren wir weiter zum nächst gelegenen Klettergebiet. Schliesslich erreichten wir nach nochmals einer Stunde Fahrt, auf einer Bilderbuchpassstrasse mit 20 offiziellen Spitzkehren und zahlreichen weiteren Kurven, die Ortschaft Cornagera.

Die Dörfer auf der Strecke bestanden grösstenteils aus Ferienhäusern und -wohnungen. Alles war verlassen und irgendwie gespensterhaft. Vermutlich werden diese Liegenschaften für Sommer- und Wintersportaufenthalte der Mittel- und Oberschicht benutzt. Schliesslich ist es im Sommer rund um Mailand ganz schön heiss.


Cornagera ist ein Stück Alpingeschichte Bergamos. Die ersten Besteigungen gehen bis auf das Jahr 1910 zurück. Für den Zustieg liefen wir ca. 30 Minuten im gut beschilderten Wanderweg Nr. 537 dem Berggipfel empor, auf welchem vom Ortszentrum auch eine Seilbahn hochführt.

Dort trafen wir auf diverse Felstürme. Auch andere Kletterer und Familien waren da. Schliesslich war es heute Samstag. Wir kletterten beide die folgenden Routen:

  • Torrione Savina
    • Sperone 5b
    • Spigolo 4b
    • Via della Fessurina 6a+
  • Geklettert am Torrione Longo
    • Longo 4c
Am Lago di Éndine
Am Lago di Éndine

Nach der Rückkehr am späteren Nachmittag badeten wir noch eine Runde im Lago di Éndine, wobei auch hierbei der Verkehr der Hauptstrasse recht störend war. Schade um die schöne Umgebung. Zum Abendessen gingen wir heute wieder in das Campingrestaurant.

Weitere Fotos vom Samstag, 26. Mai 2018

Sonntag, 27. Mai 2018

Um den Kletterspot bei Rogno zu erreichen, hätten wir eigentlich nicht so lange gebraucht. Vergisst man jedoch die Seile im Zelt, und fährt die Stecke zweimal, so kommt auch fast eine Stunde zusammen. Tja, evtl. hat der Rosé von gestern Abend doch gewisse Spuren hinterlassen.

Der Kletterspott von Rongo besteht aus einer Reihe von Platten und Pfeilern in der Nähe der gleichnamigen Ortschaft. Die Platten sind Zeugen prähistorischer Populationen, die hier zahlreiche Felsgravuren hinterliessen. Heute ist dieser Ort von grosser archäologischer Bedeutung. Wir konzentrierten uns jedoch auf die erschlossenen Routen und bekamen von dem ganzen Rummel nichts mit.

Die Kletterfelsen von Rogno
Die Kletterfelsen von Rogno

Den Bus stellten wir auf dem Friedhofparkplatz ab. Von hier aus waren die verschiedenen Sektoren zeitnah zu erreichen. Doch das Klima unterhalb der Felsen im dichten Wald glich jenem eines malaysischen Urwalds.

Nach einigem hin und her überlegen, entschieden wir uns für die Route Pastasciutta e Scaloppine. Dies war eine der ersten Routen überhaupt, welche hier begangen wurde. 160 Meter im Schwierigkeitsgrad bis 5b lagen vor uns (3c, 5b, 4c, 3c, 4b, 3c, 4a). Doch die moderate Bewertung trügt; den Schwierigkeitsgrad muss man ausnahmslos beherrschen, da die Absicherung der Abstände von bis zu 10 Meter aufwies. Auch die Routenfindung war – aufgrund der langen Boltabstände – häufig unklar. Generell kann ich die Aussage treffen, dass jede Seillänge – verglichen mit anderen Kletterspots – etwa einen Schwierigkeitsgrad höher lag als angegeben (evtl. weil es eine ältere Route war). Daher kann ich jedem Nachahmer empfehlen ein Rack mitzunehmen.

Olli beim Stand der zweitletzten Seillänge.
Olli beim Stand der zweitletzten Seillänge.
Zurück beim Bus. Im Hintergrund die dunkeln Felswände.
Zurück beim Bus. Im Hintergrund die dunkeln Felswände.

Auch die Abseilstellen waren ein wenig crazy. Das Vorhandensein von nur einem Sicherungspunkt (Muniring) bewegte uns dazu, den abenteuerlichen Abstieg (teilweise sehr steil mit Fixseilen) mit den Kletterschuhen unter den Füssen zu nehmen.

Einmal mehr verschwitzt unten angekommen, gönnten wir uns nach dem Mittagessen erst mal eine Siesta in der Hängematte. Dann entschieden wir, den Kletterspot zu wechseln und nach Castro, eine Ortschaft oberhalb des Lago d'Iseo, zu wechseln.

Siesta in der Hängematte.
Siesta in der Hängematte.

Hier konnten wir im Sektor Destro (S) noch die Routen Rasta Man (6a) und Giocchi Prohibiti (6a) klettern, ehe wir uns vor einem mächtigen Gewitter mit sintflutartigem Regen, Hagel und Winden in den Bus retten konnten.

Als wir während der Heimfahrt aufgrund des Wassers auf den Strassen auch nicht mehr weiterfahren wollten, stürmten wir in die Pizzeria Pam-Pam und warteten bei einer Pizza auf bessere Verhältnisse. Wir beobachteten durch das Fenster, wie die Strassen zu Flüsschen wurden und der Verkehr teilweise zum Stillstand kam.

Sintflutartige Regenschauer...
Sintflutartige Regenschauer...

Immer wieder schweiften unsere Gedanken zum Zelt auf dem Camping. Wie würde unser Material wohl aussehen? Kleider, Grill, Matratze? Es stand eine ungewisse Rückkehr an. Im Unterbewusstsein wurde uns auch langsam klar, dass morgen aufgrund der Nässe kein Klettern stattfinden konnte. Überhaupt war der Wetterbericht für die nächsten drei Tage alles andere als klettertauglich.

Lassen uns vom Regen die Laune nicht verderben!
Lassen uns vom Regen die Laune nicht verderben!

Zurück auf dem Camping hielt sich die Katastrophe in Grenzen. Meine Kleider blieben trocken, die Matratze und Decke mehrheitlich auch. Nur wenige Utensilien waren nass geworden. Bei einem Bierchen im Bus versuchten wir wieder eine einigermassen gute Stimmung hinzubekommen. Doch es war wie es war… Hier in den Bergamasker Alpen zu bleiben war keine Option mehr. Für schönes Wetter mussten wir weiter in Richtung Heimat fahren.

Weitere Fotos vom Sonntag, 27. Mai 2018

Montag, 28. Mai 2018

Somit kam es wie am Vorabend besprochen. Nach dem Frühstück im Campingrestaurant räumten wir die nassen, tropfenden und feuchten Gegenstände in den Bus. Kein schönes Ferienende. Da ging noch mehr!

Unser Plan war in die Schweiz zurück zu fahren, um in Stansstad beim nahe an der Autobahn gelegenen Klettergarten Rivella noch ein wenig klettern zu gehen. Auch ein Camping sollte es wenige Kilometer weiter am Alpnachersee haben. Dies gab uns die Möglichkeit, vor dem Klettern das Zelt aufzustellen sowie das nasse Equipment zu trocknen.

Blick vom Stand aus auf den Vierwaldstättersee
Blick vom Stand aus auf den Vierwaldstättersee

Geplant, getan. Bevor wir die Region Bergamo verliessen, deckten wir uns noch mit lokalem Käse, Salami, Prosecco und Moretti-Bier ein. Nach der Schweizergrenze legten wir einen Stopp für das Mittagessen ein, ehe wir am Nachmittag den Camping Bachmattli am Alpnacher See (Vierwaldstätter See) erreichten.

Wie die "Irren" stellten wir innerhalb Rekordzeit das Zelt auf, legten Decke und Matratze in die Sonne, zogen unsere Klettersachen an und waren sogleich auch wieder weg vom Camping. Dass wir auf dem Camping das Abendessen einnehmen würden, hatten wir mit dem Campingvermieterehepaar gleich noch vereinbart. Wir sollten jedoch spätestens um 19:30 Uhr wieder zurück sein.


Der Kletterspot Rivella lag – so formuliert es der Filidor Kletterführer – gerade mal 20 Sekunden vom Parkplatz entfernt. Da kann man nicht meckern. Was gibt es schöneres als gleich neben dem Bier im Kühlschrank, mit Blick auf den See und der anschliessenden Bademöglichkeit zu klettern?

Wir bewältigten beide folgende Routen:

  • Via Bella (5c+)
  • Fünfer (5c)
  • Ideälos (6a)
  • Blächhoggeweg (5c+)
  • Riss (5b)
Männerleben!
Männerleben!

Mit einer Länge von meist 25 Metern waren die gewählten Routen mit ihren kleinen Kanten eine willkommene Herausforderung. Zu dieser Zeit gingen wir noch davon aus, dass wir morgen wieder hier sein werden, um weitere Routen zu klettern. Doch würde es einmal mehr anders kommen.

Posen auf dem Camping Bachmattli
Posen auf dem Camping Bachmattli

Das anschliessende Bad im Alpnachersee war erfrischend wie das Bier danach. Als wir das Restaurant auf dem Camping aufsuchten hatten wir schon einige der Morettiflaschen vertilgt. Ein grosses Cordon Bleu mit Rösti-Kroketten rundeten den Abend ab. Wir wussten bereits beide, dass wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück, aufgrund des gewittrigen Wetters, nach Hause fahren würden. So genossen wir den letzten Abend in vollen Zügen.

Weitere Fotos vom Montag, 28. Mai 2018