Orpierre

Ein paar Klettertage im verträumten französischen Bergdörfchen Orpierre in der Provence.

In Orpierre gibt es nicht nur tollen Fels, sondern auch gutes, heimisches Bier welches den Kletterer erfreut :-)
In Orpierre gibt es nicht nur tollen Fels, sondern auch gutes, heimisches Bier welches den Kletterer erfreut :-)

Donnerstag, 05. Mai 2022

Nach einem kurzen, dafür starken Espresso in Dominiks Küche, verliessen wir um 05:30 Uhr Basel und machten uns mit Alois, dem VW-Bus, auf in Richtung Süden. Unser Ziel war das Klettergebiet bei Orpierre, eine französische Gemeinde mit knapp 400 Einwohnern im Département Hautes-Alpes.

Das kleine Dörfchen befindet sich auf rund 700 Metern Höhe südlich von Grenoble nahe der Ortschaften Sisteron und Gap. Einst fast ausgestorben und verlassen, weckten einige wenige einheimische Kletterer die umliegenden Felsen und begannen die Vertikalen zu erschliessen. Im Laufe der Jahre ist daraus ein bekanntes und beliebtes Ferienziel für Kletterer entstanden.

Unser Übernachtungsplatz für die nächsten Tage.
Unser Übernachtungsplatz für die nächsten Tage.

Der Wetterbericht für den heutigen Tag liess nichts Gutes verheissen. Bereits als wir uns im ersten Morgenstau vor Bern befanden, brauten sich am Himmel dunkle Wolken zusammen. Eine Schlechtwetterfront sollte heute über Zentraleuropa ziehen. Auf der Weiterfahrt hatten wir dann weit über die Landesgrenze hinaus Dauerregen.

Auf der Höhe von Chambéry legten wir einen Stopp ein, um uns im grossen Einkaufszentrum des Carrefours mit Lebensmitteln für die nächsten Tage einzudecken. Wir planten so, dass wir den Campingplatz nicht mehr verlassen mussten und uns selbst versorgen konnten.


Nach einem Halt für das Mittagessen auf einer kleinen Autobahnraststätte vor Grenoble, verliessen wir anschliessend die Autobahn und wechselten auf die bergige und sehr kurvenreiche Landstrasse in Richtung Sisteron. Noch immer regnete es und wir begruben die innerlich immer noch bestehende Hoffnung, dass wir am späteren Nachmittag noch ein paar Seillängen an den Felsen von Orpierre klettern könnten.

Um diese Jahreszeit herrschte kein Andrang auf dem Campingplatz Les Princes D'Orange. Dieser befand sich komplett in der Nebensaison und die Rezeption war nicht besetzt. Nach einem Anruf kam dann jemand und wir durften einen Platz aussuchen. Nach dem Erkunden des Campingplatzes stellten wir Alois mit Vorzelt auf einer der grossen Terrassenplätze auf. Mit Aussicht auf die Felswände versteht sich! Auf diesem Teil des Campingplatzes waren wir die kommenden Tage komplett allein. Fast wie wild campieren, einfach mit nah erreichbarer Toilette und warmer Dusche!


Wie befürchtet hatte es auch hier stark geregnet. Entsprechend war alles feucht und nass. Vor dem Abendessen bummelten wir noch durch die engen Gassen von Orpierre und kauften im kleinen Souvenirgeschäft "Into the Cliff" das ortsgebraute Bier "La Mousquif" ein. Dieses wurde dann im Vorzelt zum Apéro und zum Abendessen getrunken. Sehr zu empfehlen!

Freitag, 06. Mai 2022

Es war eine bitterkalte Nacht. In den frühen Morgenstunden zog ich einen zusätzlichen Pullover und die Wollmütze an, bevor ich mich wieder unter der mitgenommenen "Sommerdecke" im 1. OG des Busses verkroch. Wir brauchten uns nicht zu beeilen. Es war immer noch überall nass und es herrschte eine hohe Luftfeuchtigkeit. Doch der aufkommende Wind verkündete Besserung.

Alle Zustiegspfade sind perfekt ausgeschildert!
Alle Zustiegspfade sind perfekt ausgeschildert!

Nachdem wir losliefen und die Hauptstrasse von Orpierre erreichten, war uns bereits warm und wir verstauten die warme Jacke im Rucksack. Nun ging es auf top ausgeschilderten Zustiegswegen steil hoch zu den Felswänden. 

Der "Balcon Suspendu" von Les Balaches
Der "Balcon Suspendu" von Les Balaches

Wir nahmen uns vor, erst mal ein paar einfachere Seillängen zu begehen, um den Fels kennen zu lernen. Im angepeilten Sektor befanden sich jedoch bereits Leute und so wechselten wir zum Sektor Les Blanches – Pilier de la lumière ouest, wo wir die dortigen kürzeren Seillängen klettern wollten.

Olli, im neu gekauften Kletteroutfit
Olli, im neu gekauften Kletteroutfit
Dominik  auf dem "Balcon Suspendu" von Les Balaches.
Dominik auf dem "Balcon Suspendu" von Les Balaches.

Doch nach der Route "Pas très claire" (5b) kamen wir zum Schluss, dass diese Routen dort nicht so das Gelbe vom Ei sei (Anfängerrouten) und wechselten zum "Balcon Suspendu" von Les Balaches. Hier fanden wir herrliche und lange Seillängen in bestem Fels. Nach einiger Zeit kam auch die Sonne hinter den Wolken hervor und wir genossen einen ersten hervorragenden Klettertag in Orpierre.

Blick auf die Felsen von Adrech.
Blick auf die Felsen von Adrech.
  • Pas très claire 5b, 15m
  • Skate Maudit 5c, 25m
  • Chéri, on met quel doigt? 5c, 25m
  • Hématome 5c, 25m
  • Accroches-toi où tu peux 5c, 26m
  • Le début de la fin 6a, 25m
  • Hogara 5c, 30m
Einmalig: Die Felsnase von Quiquillon.
Einmalig: Die Felsnase von Quiquillon.

Das Geschäft "Into the Cliff" mit dem hervorragenden Mousquif-Bier ist schon hervorragend an der Hauptstrasse gelegen. Kommt man mit müden Fingern und durstiger Kehle vom Berg hinunter, muss man unweigerlich daran vorbeigehen. Um das Bier zu trinken, bietet sich ideal der Dorfplatz mit seinen grünen Sitzbänken unter den Kastanienbäumen an.

Das französische Flair kann an diesem Ort nicht ignoriert werden und die Gemütlichkeit, Ruhe und Gelassenheit überträgt sich auch auf die Besucher.


Heute Abend kochten wir Rindsfleischburger, Reis, Tomatensauce und Salat. Dazu gab es einen Rotwein von Chateauneuf du Pape. Schliesslich ist das Leben zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.

Weitere Fotos vom Freitag, 06. Mai 2022

Samstag, 07. Mai 2022

Heute wollten wir es wissen. Nach dem Frühstück machten wir uns auf zum Felsfuss des Quiquillon. Bereits um 09:00 Uhr befanden wir uns am Einstieg der Route "Le dièdre sud" (5c), welche in sieben Seillängen auf die 170 Meter höher gelegene Felsnase führt.

Olli, weit über Orpierre.
Olli, weit über Orpierre.

Die erste Seillänge mit kalten Fingern in der Schwierigkeit 5c zu klettern war fordernd. Doch die Sonne wärmte den Fels schnell auf. Bald lief es bei unserer Seilschaft wie am Schnürchen und wir überschlugen eine Seillänge nach der anderen.

Schattenspiele :-)
Schattenspiele :-)

Der Fels war trotz dieser alten, traditionellen Route fantastisch. Nur ganz wenige Stellen waren poliert und konnten problemlos begangen werden. Auch die Absicherung ist vorbildlich. Doch was diese Route im Speziellen ausmacht, ist die Vielseitigkeit, die geboten wird: Plattenschleichen, ein steiler Kamin, eine Querung, Steilwandklettern, Rissklettern, Wasserrinnen… dies alles ist in den sieben Seillängen enthalten (5c, 5b, 5b, 5c, 5b, 5b, 5b).

Keine Frage, die Dièdre Sud von Quiquillon ist eine der abwechslungsreichten MSL die ich je geklettert bin. Evtl. gibt es eine Wiederholung, wenn ich das nächste Mal wieder in Orpierre bin. Dies ist bestimmt eine Überlegung wert.

Nach dem Ausstieg (Durchstiegszeit 2.5h), folgten wir dem Grat in Richtung nordöstlicher Richtung, stiegen neben dem Pilier de l'Ascle die Scharte hinunter und kehrten zurück zu unserem Rucksackdepot, wo das Mittagessen auf uns wartete.

Ein wenig später erkletterten wir die 26 Meter hohe Route Kamikaze (6a) im Sektor Mur bleu. Diese war hart und durchgehend fordernd. Hinzu kam, dass die Sonne gnadenlos auf uns hinunterschien und der Fels schon richtig heiss wurde.

Entsprechend erledigt waren wir, nachdem wir beide die Linie geklettert sind. Es war an der Zeit abzusteigen und im Restaurant Le Portail auf die Begehung anzustossen. Mit Blick auf die Felsnase von Quiquillon versteht sich.

Doch an diesem Samstag gab es im Ort noch so einiges zu sehen. So fand eine Hochzeit satt, die älteren Männer spielten Boule auf dem Dorfplatz, und die eine oder andere Kletterseilschaft, Wandergruppe oder Biker kehrte von vollbrachten Abenteuern zurück in den Ort.

Weitere Fotos vom Samstag, 07. Mai 2022

Sonntag, 08. Mai 2022

Der Wetterbericht für heute war unbeständig. In eine MSL einzusteigen war nicht angebracht. So entschieden wir uns für den östlich ausgerichteten Sektor Château. Dieser war schnell zu erreichen und bot eine riesige Auswahl an Sportkletterrouten.


Zu unserem Erstaunen schien die Sonne vom wolkenlosen Himmel auf uns hinunter. Allein waren wir hier jedoch nicht. Château ist der meistbesuchte Sektor von Orpierre. Hier finden sich eher einfachere Routen für Anfänger. Zudem ist wie erwähnt, der Zustieg vom Parkplatz, in ein paar Minuten zu bewältigen.


Wir kletterten die Seillängen:

  • Lent dehors 5b, 21m
  • Le fou dÂmérique 5b, 20m
  • Le four (direct) 5c+, 23m
  • L'apprentie 5c+, 23m
  • Banane molle 6a, 30m
  • Chatozaure 6a, 33m
  • Fifi bras d'acier 5c, 22m
Der Sektor Château - Das Gewitter kommt näher; ab in die Beiz!
Der Sektor Château - Das Gewitter kommt näher; ab in die Beiz!

Als sich die Wolken verdichteten packten wir zusammen und kehrten heimwärts. Doch beim Restaurant Le Quartz, welches sich just am Ortseingang befindet, stellte sich heraus, dass unser Durst zu gross ist, um weiter bis zum Campingplatz zu marschieren. Eine Pause musste her.

Aufgrund dieser Verführung kamen wir jedoch in den Regen, welcher wenige Minuten später einsetzte. Zurück beim Camping, machten wir es uns im Vorzelt bequem, tankten französischen Listel und tätigten ein Mittagsschläfchen. Ans Klettern war heute nicht mehr zu denken.

Am späteren Nachmittag unternahmen wir eine Wanderung auf die westliche Felsrippe der Berge von Orpierre und liefen durch das Tal zurück. Hier wurde in der Vergangenheit nach Zink und Blei gesucht. Auch Marmor wurde teilweise versucht abzubauen doch dies alles ohne Erfolg, was schlussendlich die Ortschaft verwaisen liess. Übrig geblieben sind die Steinbrüche und eindrucksvolle Tunnel, welche ins Berginnere führen.

Der Zufall wollte es, dass wir heute abermals beim Restaurant Le Quartz vorbeikamen und es wieder zu Regnen begann. Also standen wir erneut unter und tranken ein Feierabendbier. Den Abend verbrachten wir im Vorzelt bei guter Musik und vorzüglichem Essen.

Weitere Fotos von Sonntag, 08. Mai 2022

Montag, 09. Mai 2022

Der Regen liess in der Nacht nicht nach. Am Morgen lagen dicke Nebelfetzten im Talkessel von Orpierre. Traurig mussten wir uns eingestehen, dass in den nächsten Stunden nicht geklettert werden konnte und dass wir wohl ohne Moves die Heimreise antreten werden.

Auch der Wetterbericht liess nicht hoffen. So packen wir alles zusammen und traten die Heimreise an. Auch wenn wir am ersten und am Abreise-Tag nicht Klettern konnten, so hatte es sich doch gelohnt hierher zu kommen.

Der Ort, die Felsqualität und die Routenvielfalt ist allemal eine Reise wert. Bestimmt werde ich Orpierre wieder einmal einen Besuch abstatten.

Bye bye Orpierre
Bye bye Orpierre