Indien – Rajasthan & Kerala
Rundreise im Norden: Rajasthan (Delhi – Udaipur – Bundi – Jaipur – Agra – Delhi)
Dienstag, 16. September 2025 – Anreise
Wie so viele Reisen begann auch diese an der Bushaltestelle im Dorf. Viel zu früh standen wir an der Station bereit und fröstelten im kühlen Herbstwind, während wir auf den Bus warteten.
Ein Blick auf die Apps des Smartphones zeigte, dass alle Transportmittel planmässig zu fahren schienen: der Bus, der Zug nach Zürich und auch der Flug wurde als «on Time» angekündigt. Vor dem Einstieg in den ICE kauften wir noch etwas zum Frühstücken ein, zwei Stunden später erreichten wir bereits den Flughafen von Zürich.
Check-In und Baggage-Drop-Off stellten in der heutigen Zeit kein Problem mehr dar. Auch wurde unser e-Visa für Indien bereits am Gate kontrolliert und der Boarding-Prozess ging ebenfalls relaxt von statten.
Mit etwas Verspätung startete um 12:30 Uhr der Airbus A330 der Swiss-Airline in Richtung Osten. Er war nicht komplett gebucht und wir hatten das Glück, gleich zwei Sitzreihen in der Mitte und eine Sitzreihe am Fenster für uns zu haben.
Der Flug dauerte gute sieben Stunden. Um 23:15 Uhr landeten wir schliesslich auf dem internationalen Flughafen Indira Gandhi in Delhi. Vor der Einreise standen einige Formalitäten an und es galt neben der Erfassung unserer Fingerabdrücke ergänzende Dokumente auszufüllen. Bei der Grenzkontrolle durften wir das ganze Spielchen mit den Fotos und Fingerabdrücken erneut wiederholen, doch dann war es geschafft: wir traten mit dem Stempel in unseren Pässen in die Ein- bzw. Ausgangshalle des Flughafens.
Unser Reisekoordinator Pravendra Tiwari stand bereits mit einem Schild mit unseren Namen bereit und empfing die frisch angekommenen Indien-Besucher. Richtig begrüsst wurden wir wenig später im Parkhaus, wo uns der Fahrer eine Blumenkette um den Hals legte und die beiden uns mit einem herzlichen «Namaste» willkommen hiessen.
Die Unterkunft für die nächsten drei Nächte hatten wir im Hotel Lutyens Bungalow gebucht. Es war bereits kurz nach 01:00 Uhr als wir da eintrafen. Erschlagen von der Reise und dem indischen feucht-heissen Klima, legten wir uns schlafen.
Mittwoch, 17. bis Freitag, 19. September 2025 – Neu-Delhi
Die ersten drei Tage in Delhi gingen wir gemütlich an und nutzten die Grünanlage der Lutyens Bungalowanlage erst einmal zur Akklimatisation. Lutyens ist eine Familiengeführte Bed & Breakfast-Unterkunft, bei der grosser Wert darauf gelegt wird, dass sich die Gäste auch untereinander austauschen. Bei den Mahlzeiten sitzen alle zusammen an einem grossen Tisch und die Gäste (Touristen sowie Geschäftspersonen) erzählen von Ihren Erlebnissen.
Lucas Highlight war der grosse Swimmingpool, worin er am liebsten den ganzen Tag verbracht hätte. Aber da waren noch die beiden verspielten Haushunde Maple und Mocca, welche ebenso seine Aufmerksamkeit forderten.
Da es am ersten Abend kein Dinner im Lutyens gab, unternahmen wir einen Spaziergang zum nahen Komplex des Islamischen Kulturzentrums, wo wir im Restaurant Karims Food Plaza zu Abend assen. Die meisten bestellten Gerichte waren sehr würzig und wir wurden gleich am ersten Tag in die Schärfe der indischen Mahlzeiten eingeführt.
Auch den Folgetag verbrachten wir, abgesehen von einem Ausflug zum Khan Market, in der Anlage. Der sogenannte Markt ist ein eher gehobenes Einkaufsviertel mit Boutiquen, Designläden, Feinkost, Cafés und Restaurants. Wir schlenderten ein wenig herum und assen dann auf dringenden Wunsch von Luca im italienischen Restaurant The Big Chill Cafe Pizza und Pasta, welches uns von anderen Touristen empfohlen wurde.
Am letzten Tag vor unserer Nordrundreise war dann ein Sightseeing in Alt-Delhi angesagt. Wir wurden von unserem deutschsprechenden Guide Bravin im Lutyens abgeholt und unser Fahrer brachte uns ins Zentrum. Auf dem Weg dorthin, passierten wir das noble Regierungsviertel und fuhren am «India Gate» – ein imposanter Triumphbogen, vergleichbar mit dem Arc de Triomphe in Paris – vorbei, welcher an die gefallenen indischen Soldaten im Ersten Weltkrieg erinnert.
Bereits beim Aussteigen aus dem klimatisierten Auto war klar: hier pulsiert das Leben! Ein faszinierendes Durcheinander aus Menschen, Geräuschen, Farben und Gerüchen. Rikschas, Tuk-Tuks und Motorräder drängen sich durch enge Gassen, Händler preisen lautstark ihre Waren an, Gewürzduft liegt in der Luft und altehrwürdige Gebäude zeugen von der langen Geschichte der Stadt. Zwischen historischen Moscheen, Märkten wie Chandni Chowk und jahrhundertealten Havelis entfaltet sich ein Alltag voller Energie, Geschäftigkeit und kultureller Tiefe. Das Leben hier ist intensiv, chaotisch und gleichzeitig zutiefst authentisch.
Wir schritten durch die engen Nebenstrassen, wo es zahlreiche winzige Läden gibt, in denen ätherische Öle, Schreibwaren, Gewürze, Trockenobst, Silberschmuck, bunte Saris und traditionelle indische Süsswaren verkauft werden. Zwischendurch kosteten wir auch mal einen landestypischen Masala Chai, ein gewürzter Schwarztee mit Milch, Zucker und typisch indischen Gewürzen wie Ingwer, Kardamom, Zimt, Nelken und Pfeffer. Er wird in ganz Indien heiss, süss und kräftig serviert – oft in kleinen Gläsern oder Tontassen am Strassenrand.
Statt zu Fuss ging es nun mit dem Tuk-Tuk weiter durch das dichte Gedränge, hupenden Fahrzeugen und einem bunten Mix aus Autos, Motorrädern, Rikschas und Fussgängern. Ein unvergleichliches Erlebnis. Der nächste Halt war Jama Masjid, an deren Eingangspforte wir unsere Schuhe auszogen und weiter über den grossen Platz zum Eingang schlenderten. Zum Glück durften wir die Socken anbehalten, ansonsten wäre der Spaziergang über den, von der Sonne aufgeheizten Gebetsplatz, ganz schön unangenehm geworden.
Die Jama Masjid in Delhi ist eine der grössten Moscheen Indiens und ein bedeutendes Beispiel mogulischer Architektur. Sie beeindruckt durch ihre weitläufige Anlage, prächtigen Bögen und zwei hohe Minarette. Sie ist sowohl ein wichtiges religiöses als auch kulturelles Wahrzeichen der Stadt.
Mit dem Auto ging es zweiter nach Neu Dehli zum Gurdwara Bangla Sahib, dem bedeutendsten Sikh-Tempel Indiens. Die Sikh-Religion ist eine monotheistische Glaubensgemeinschaft, die im 15. Jahrhundert in Nordindien gegründet wurde. Sie betont Gleichheit, Gerechtigkeit, Mitgefühl und den Dienst an der Gemeinschaft. Sikhinnen und Sikhs glauben an einen einzigen Gott und folgen den Lehren der zehn Gurus, die im heiligen Buch, dem Guru Granth Sahib, festgehalten sind.
Der Tempel ist offen für alle Religionen und bietet einen Einblick in die Sikh-Kultur und
-Traditionen. Wir kamen auch beim kleinen Altar vorbei, wo das heilige Buch sicher aufbewahrt und bewacht wurde.
Im Nebengebäude gibt es das sogenannte Langar, wo kostenlos Essen an alle Besucherinnen und Besucher angeboten wird – unabhängig von Religion, Herkunft oder sozialem Status. In der Begleitung von Bravin durften wir die Küche mit den riesigen Kochtöpfen und Fladenbrotmaschinen besichtigen. Unglaublich die Mengen an Essen die hier zubereitet werden. So werden beispielsweise zwischen 800 und 1'000 Fladenbrote pro Stunde hergestellt und an die Gäste verteilt. Da bekommt man natürlich auch Hunger und Luca konnte ein Fladenbrot abstauben.
Als letzten Sightseeingpunkt hatten wir das Minarett Qutub Minar auf dem Programm. Qutub Minar ist eines der bekanntesten historischen Bauwerke Indiens und ein bedeutendes Beispiel indo-islamischer Architektur. Der 73 Meter hohe Siegesturm befindet sich im Süden von Delhi und wurde im Jahr 1193 unter Qutb-ud-Din Aibak, dem Gründer des Delhi-Sultanats, begonnen und später von seinen Nachfolgern vollendet.
Das Minarett ist aus rotem Sandstein und Marmor erbaut, mit aufwendig verzierten Inschriften und dekorativen Mustern. Die angrenzende Anlage umfasst unter anderem die Quwwat-ul-Islam-Moschee, die als erste Moschee Indiens gilt, sowie die berühmte eiserne Säule, die für ihre rostfreie Eigenschaft seit Jahrhunderten Rätsel aufgibt.
Die Anlage erinnerte mich sofort wieder an die Ruinen von Angkor Wat in Kambodscha, die wir 2023 besuchten. Auch diese, sehr gepflegte Parkanlage, lädt zum Verweilen und Erkunden der zahlreichen Ruinen und Bauwerke ein und ist ebenso ein UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Abendessen genossen wir im gemütlichen Garten der Lutyens Bungalow. Danach packten wir unsere Koffer, denn am nächsten Morgen würde unsere siebentägige Rundreise durch den Norden Indiens beginnen.
Samstag, 20. September 2025 – Udaipur: Stadtpalast & Pichola-See
Bereits um 07:00 Uhr wurden wir abgeholt und zum Flughafen gefahren. Zuvor gab es noch ein kleines Frühstück im Garten der Lutyens Bungalow. Die Gepäckkontrolle für den Inlandfug wurde penibel durchgeführt. In unserer Reihe hatten wir es mit einem Kontrolleur zu tun, der seinen Job sehr genau nahm und die Passagiere schon fast nötigte.
Der Flug mit der IndiGo-Airline war top und auch schneller als angekündigt. Bereits nach einer Stunde landeten wir in Udaipur, der malerische Stadt im indischen Bundesstaat Rajasthan, auch bekannt als die „Stadt der Seen“. Veney, unser Fahrer wartete schon beim Flughafenausgang. Er fuhr vermutlich bereits gestern mit dem Auto nach Udaipur, um uns hier wieder aufzugabeln und auf der weiteren Rundtour zu chauffieren.
Das Hotel für die nächsten zwei Tage war das Amet Haveli. Es befindet sich direkt am Pichola-See und kann aufgrund der schmalen, verwinkelten Strassen auf denen sich unzählige Fussgänger, Motorräder und Tuk-Tuks durchdrängeln nur mit Letzterem erreicht werden.
Wir waren paff, als wir das Super-Deluxe Zimmer des charmanten Hotels bezogen. Durch die Fensterfront zeigte sich der malerische Pichola-See und den Ausblick auf die Paläste Jag Mandir und Jag Niwas, die auf zwei Inseln im See gelegen sind.
Ohne lange zu zögern, brachen wir zur Erkundungstour auf, denn Adil, unser heutiger Guide, war ebenfalls bereits eingetroffen. Zu Fuss führte er uns durch die verwinkelten Gassen und lebendigen Basare der Altstadt, die sich nahtlos bis zum imposanten Eingang des Stadtpalasts erstreckten.
Der Stadtpalast ist die grösste Palastanlage Rajasthans und beeindruckt mit seiner Pracht und Ausdehnung. Unser Rundgang führte uns durch reich verzierte Innenhöfe, kunstvoll gestaltete Gänge und prunkvolle Empfangssäle. Wir erkundeten verschiedene Bereiche des weitläufigen Komplexes – darunter Museen, ehemalige Wohnräume der Königsfamilie sowie kunstvolle Glas- und Spiegelarbeiten. Immer wieder boten sich eindrucksvolle Ausblicke auf den Pichola-See und die umliegende Altstadt.
Wir hatten ein strenges Programm, denn kaum hatten wir den Palast verlassen, wechselten wir auf eines der kleinen Touristenschiffe auf dem Pichola-See. Während der Fahrt bot sich ein schöner Blick auf den Stadtpalast und die umliegende Altstadt. Die Tour führte uns zur Insel Jag Mandir, wo wir kurz anlegten und den kleinen Innenhof sowie das Gebäude besichtigten. Kurz darauf begann es heftig zu regnen, wodurch der Aufenthalt auf der Insel nur von kurzer Dauer war. Wir suchten unter einem Vordach Schutz, bevor es mit dem Boot wieder zurück ans Festland ging.
Der Besuch des Gartens von «Sahelion Ki Bari» fiel sprichwörtlich ins Wasser. Zum einen fing es heftig an zu regnen, zum anderen war in der Anlage der Strom ausgefallen und somit auch die Versorgung der Springbrunnenspiele. Schnell stiegen wir wieder ins Auto, um in einer Künstlerschule eine kurze Vorstellung der Zeichenkunst von Udaipur zu erhalten.
Den Abend verbrachten wir auf der sensationellen Seeuferterrasse des sehr feinen Hotelrestaurants. Ich hätte mir heute keinen schöneren Platz auf der Welt vorstellen können als am Pichola-See mit der einzigartigen Kulisse aus Wasser, beleuchteten Palästen, den spiegelnden Kuppeln des City Palaces und den sanften Hügeln im Hintergrund, um zu Abend zu essen. Ich kann gut nachvollziehen, warum Udaipur als eine der romantischsten Städte Indiens gilt – der Ort hat wirklich etwas Besonderes.
Sonntag, 21. September 2025 – Udaipur: Wanderung zum Badi Lake
Statt City-Sightseeing stand heute die Natur im Vordergrund. Nach ein paar Tagen in den hektischen Städten machten wir uns auf den Weg ins Hinterland. Mit dem Auto fuhren wir rund eine Dreiviertelstunde ins Aravalli-Gebirge – eine der ältesten Gebirgsketten Indiens – bis wir ein kleines Dorf erreichten, von wo aus unsere Wanderung zum Badi Lake begann.
Begleitet wurden wir von einem lokalen Guide aus dem Dorf sowie unserem Reiseleiter. Der Pfad führte uns durch dichtes Buschwerk, über kleine Felder und vorbei an einfachen Hütten. Unterwegs begegneten wir nicht nur neugierigen Dorfbewohnern, sondern auch zahlreichen Tieren: Affen schauten uns aus sicherer Entfernung zu, grüne Papageien flatterten über die Baumwipfel, und flinke Streifenhörnchen huschten durchs Unterholz. Interessant war auch der kurze Halt bei einer improvisierten, illegalen Schnapsbrennerei mitten im Dickicht, die unser lokaler Guide stolz zeigte – ein spannender Einblick in das ländliche Leben.
Das Highlight der Wanderung war jedoch der Anstieg zu einem der höchsten Punkte der Umgebung. Von dort bot sich ein beeindruckender Blick über die hügelige Landschaft der Aravalli-Kette und den tief unten glitzernden Badi Lake. „Badi“ bedeutet auf Hindi so viel wie „gross“ – und der See macht diesem Namen alle Ehre.
Oben angekommen waren wir allerdings nicht allein: Zahlreiche Influencer hatten denselben Aussichtspunkt über eine neu gebaute Strasse gewählt – ein Zeichen dafür, wie stark soziale Medien den Ort geprägt haben. Trotz des Trubels war der Ausblick imposant und die Wanderung bot einen willkommenen Kontrast zu dem hektischen Stadtleben, wie wir es die letzten Tage erleben durften.
Montag, 22. September 2025 – Chittorgarh-Fort, Menal Stätte & Bundi
Unsere Reise durch Rajasthan ging weiter und wir verliessen den lieb gewonnen und charmant-romantischen Ort Udaipur. Veney, unser Fahrer, holte uns ab und wir begaben uns auf eine zweistündige Fahrt in Richtung Osten mit dem Tagesziel Bundi.
Unterwegs legten wir nach zwei Stunden einen ersten Stopp in Chittorgarh ein, um das beeindruckende Chittorgarh-Fort zu besichtigen. Die Festung ist eine der grössten Wehranlagen Indiens und ein bedeutendes Symbol für Rajputenstolz und Tapferkeit. Es thront auf einem 180 Meter hohen Hügel und erstreckt sich über rund 700 Hektar. Die Festung war einst Hauptstadt des historischen Mewar-Königreichs und wurde mehrfach belagert, unter anderem von Alauddin Khalji und dem Mogulkaiser Akbar. Innerhalb der Anlage befinden sich zahlreiche Paläste, Tempel, Türme und Teiche, darunter der imposante Vijay Stambh (Siegsturm) und der Kirti Stambh (Ruhmesturm).
Chittorgarh ist besonders bekannt für die Geschichte der Königin Padmini und den Akt des Jauhar – dem rituellen Massenselbstmord, den Frauen begingen, um nicht in Feindeshand zu fallen.
***
Königin Padmini, auch Rani Padmini genannt, galt als aussergewöhnlich schön und war die Gemahlin von Maharaja Ratan Singh, dem Herrscher von Mewar. Als Alauddin Khalji, der Sultan von Delhi, von ihrer Schönheit erfuhr, beschloss er, Chittorgarh anzugreifen, um Padmini zu erlangen.
Nach einer List, mit der er sie kurz im Spiegel sehen konnte, begann er die Belagerung des Forts im Jahr 1303. Als klar wurde, dass die Festung fallen würde, traf Königin Padmini eine tragische Entscheidung: Um einer Gefangenschaft, Entehrung und dem Leben als Kriegsbeute zu entgehen, beging sie zusammen mit hunderten anderen Frauen des Hofes Jauhar – ein rituelles Selbstverbrennen im Feuer.
Währenddessen ritten die Männer von Mewar in einem letzten, aussichtslosen Kampf in den Tod. Der Akt des Jauhar gilt in der Rajputen-Tradition als Symbol für Ehre, Mut und Aufopferung."
***
Auch wenn der historische Wahrheitsgehalt der Geschichte umstritten ist, hat sie einen tiefen kulturellen und emotionalen Stellenwert in Indien – insbesondere in Rajasthan.
Bevor wir unserer Fahrt nach Bundi fortsetzten, assen wir im Ort noch eine Kleinigkeit. Nach einer weiteren Stunde Autofahrt legten wir einen kurzen Zwischenstopp in der weniger bekannten, aber historischen und sehr malerischen Stätte Menal ein. In deren Zentrum steht ein Shiva-Tempel mit filigranen Figuren von Göttern, Tänzern und Tieren. Weitere kleinere Tempel, ein altes Kloster und Überreste früherer Bauwerke verteilen sich in der Umgebung. Besonders reizvoll war auch die Besichtigung des Wasserfalls, welcher sich über Sandsteinplatten in eine tief eingeschnittene Schlucht stürzt.
Es vergingen zwei weitere Stunden bis wir in Bundi, einem wunderschönen, aber kaum von Touristen besuchten Ort, eintrafen. In der Zwischenzeit war es bereits dunkel geworden und das stimmungsvoll beleuchtete Taragarh Fort fesselte unsere staunenden Blicke auf den letzten Kilometern Autofahrt. Morgen würden wir die Anlage bei Tageslicht besichtigen.
Wir liessen uns im «The Castle View Homestay» für die nächsten Tage nieder. Die charmante und familiär geführte Unterkunft befindet sich in einem historischen Haveli, das direkt gegenüber dem Fort liegt und authentisches Rajasthan-Flair bietet. Die Zimmer sind stil- und liebevoll eingerichtet und die Familie sehr freundlich.
Beim Check-in wurde uns mitgeteilt, dass aufgrund dem hinduistischen Navratri Mahotsav Fest im gegenüberliegenden Tempel Tag und Nacht gesungen wird. Sie entschuldigten sich einige Male, dass der Sprechgesang über die Dächer von Bundi lautstark posaunt. Doch dies gehörte zu so einer exotischen Reise, wie wir sie momentan erlebten, eben dazu.
Der Name «Navratri Mahotsav» bedeutet wörtlich „Neun Nächte Fest“ und ehrt die neun Inkarnationen der Göttin Durga, Symbol für weibliche Kraft (Shakti). Während der neun Nächte und zehn Tage wird mit traditionellem Tanz, Musik, Gebeten und Fasten gefeiert. Jeder Tag ist einer anderen Form der Göttin gewidmet. Die Menschen tragen festliche Kleidung, meist in täglich wechselnden Farben und kommen abends zu grossen Tanzveranstaltungen zusammen – dem eigentlichen „Mahotsav“, also dem grossen Fest. Bereits in Udaipur hatten wir einige solche Veranstaltungen gesehen.
Navratri endet mit Dussehra (Vijayadashami), das den Sieg des Guten über das Böse symbolisiert – meist dargestellt durch den Triumph Durgas über den Dämon Mahishasura. In vielen Regionen Indiens finden grosse Umzüge, Theateraufführungen und Verbrennungen der Ravana-Figur statt.
Der Tag war jedoch noch lange nicht zu Ende. Denn heute war Tanjas Geburtstag - und der musste noch gefeiert werden! Nach einer erfrischenden Dusche machten wir uns auf ins Hadoti Palace Heritage Hotel, wo im Garten auf der Veranda neben dem Pool ein festlich dekorierter Tisch auf uns wartete.
Auch eine Geburtstagtorte mit Kerzen wurde vorbeigebracht. Doch die ganze Szenerie war skurril, denn wir waren die einzigen Gästen im ganzen Hotelkomplex und die ganze Küchenmannschaft nur für uns da. Das Abendessen im Hadoti Palace wurde im Vorfeld durch den Reiseanbieter organisiert.
Herzlicher und geselliger ging es dann im Homestay zu und her, wo nochmals eine selbst gemachte Geburtstagstorte auf Tanja wartete und die ganze Gastgeberfamilie mit uns zusammen zum Happy-Birthday anstimmte.
Dienstag, 23. September 2025 – Bundi: Taragarh Fort & Schulbesuch
Das Frühstück wurde im The Castle View Homestay auf der schattigen Terrasse mit grossartigem Blick auf das Taragarh Fort serviert. Bereits um 09:00 Uhr war es an der Sonne schon so heiss, dass man es schier nicht aushielt und wir auch im Schatten um jedes Lüftchen froh waren.
Es gab leckere Pancakes, Früchte, Joghurt und ein mit Gemüse gefülltes, würziges Fladenbrot. Dazu Schwarztee und Wasser. Wenig später holte uns Narendra, der Guide, der uns heute begleitete und mit welchem wir die Besichtigung des majestätischen Taragarh Forts unternahmen, im Homestay ab.
Die Tour begann also direkt vor unserer Haustüre. Der Aufstieg auf den mittelalterlichen, steilen Pflasterweg erfolgte durch mehrere gewaltigen Tore, die bereits erahnen liessen, welche historische Bedeutung die Anlage einst hatte. Als wir das eigentliche Eingangstor «Lakshmi Pol» erreichten, waren unsere Kleider vom Schwitzen bereits durchnässt; doch damit konnten wir mittlerweile umgehen.
Das Lakshmi Pol ist mit zwei grossen steinernen Elefanten geschmückt. Diese monumentalen Elefantenstatuen flankieren den Eingang und symbolisieren Stärke, Macht und königliche Würde. Sie verleihen dem Tor einen besonders imposanten und zeremoniellen Charakter. Ich war hin und weg; eine solche Anlage hatte ich noch nie gesehen.
Das Taragarh Fort in Bundi zählt zu den ältesten und eindrucksvollsten Festungsanlagen Rajasthans. Hoch über der Stadt gelegen wurde es 1354 erbaut und bietet nicht nur eine majestätische Aussicht über Bundi und die umliegenden Hügel, sondern auch einen tiefen Einblick in die prachtvolle Geschichte der Rajputen.
Im Inneren der Festung findet man weitläufige Palastruinen, Höfe und geheime Gänge, die einst dem Schutz der königlichen Familie dienten. Besonders faszinierend fand ich die aufwendigen Wandmalereien im Rani Mahal, dem ehemaligen Wohntrakt der Königin. Diese Fresken zeigen Szenen aus dem höfischen Leben, mythologische Erzählungen sowie eindrucksvolle Darstellungen von Elefantenkämpfen, Göttern und königlichen Zeremonien – in leuchtenden Farben und mit beeindruckender Detailtiefe.
Narendra erzählte uns auch, dass die britische Königin Mary einst während ihrer Indienreise hier nächtigte – ein Zeichen für den einstigen Glanz und internationalen Rang der Festung.
Heute mag das Fort in Teilen verfallen sein, doch gerade dieser Zustand, kombiniert mit der kunstvollen Malerei, der dichten Vegetation und der Ruhe hoch über der Stadt, verleiht Taragarh eine mystische, fast verwunschene Atmosphäre.
Wer sich auf den Weg zum Taragarh Fort macht, entdeckt nicht nur eine historische Sehenswürdigkeit, sondern taucht ein in eine längst vergangene Welt voller Geschichten, Könige und künstlerischer Meisterwerke, die bis heute in Farbe und Stein überdauert haben. Mich hat die Anlage fasziniert und ich habe unzählige Fotos geknipst. Diese danach auszusortieren, fiel mir nicht leicht.
Wieder zurück im Ort, besuchten wir eine Grundschule, wo Luca mitgebrachte Geschenke und Süssigkeiten verteilte und wir einen kurzen Einblick in das Schulsystem erhielten. Die Kinder waren sehr an uns interessiert, kontaktfreundlich und aufgeschlossen. Bereits in den ersten Klassen wird neben Hindi auch Englisch gelernt. So konnten die Kinder auch den einen oder anderen Satz mit uns austauschen.
Als nächste Besichtigung stand die Stufenbrunnenanlage Rana Ji ki Baori an. Der Weg dorthin führte uns durch enge, belebte Gassen mit reger Bewegung von Motorrädern, Autos und Fussgängern, die sich dicht an dicht ihren Weg bahnten. Entlang der Strassen und engen Gassen reihten sich kleine Geschäfte, in denen oft auch Waren produziert wurden – wie handgefertigte Armringe, Eisenwaren oder Kleider.
Besonders auffällig waren die Frauen in ihren farbenfrohen, traditionellen Kleidern, die dem Alltag lebendige Akzente verliehen. An die Kühe, die ruhig über die Strassen schlendern oder mittendrin sitzen und ganz selbstverständlich zum geschäftigen Treiben dazugehören, konnte ich mich noch immer nicht gewöhnen. Es war faszinierend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Akzeptanz die Tiere in das gesellschaftliche Miteinander integriert sind.
Die beeindruckende Stufenbrunnenanlage Rana Ji ki Baori befindet sich im Zentrum von Bundi und wurde im 17. Jahrhundert erbaut. Sie besteht aus mehreren Ebenen mit kunstvoll angelegten Stufen, die bis zum Grundwasser hinabführen (30 Meter!). Der Brunnen diente einst als wichtige Wasserquelle für die Stadt und ist ein herausragendes Beispiel für die traditionelle indische Architektur und Ingenieurskunst. Die Wände sind reich verziert mit filigranen Steinmetzarbeiten und Skulpturen, die die kulturelle Bedeutung des Ortes unterstreichen.
Da die Anlage heute nicht mehr benutzt wird, befindet sich Abfall im Wasser und sieht ein wenig verkümmert aus. Nichtsdestotrotz bietet sie Einblick in das historische Wassermanagement und die Lebensweise vergangener Zeiten.
Den Weg zurück bestritten wir mit einer abenteuerlichen Tuk-Tuk-Fahrt. Nach einem kleinen Mittagessen im «Fort on Plate Cafe and Restaurant», das unserem Guide gehört, schlossen wir unser heutiges Sightseeing ab und verbrachten den Rest des Tages im Homestay, um uns von den vielen Eindrücken zu erholen.
Das Abendessen wurde im Homestay auf der Dachterrasse mit spektakulärer Aussicht auf das majestätische Taragarh Fort serviert. Zu dieser Tageszeit entfaltete das Fort eine besondere Magie: Affen klettern lebhaft über die steinernen Mauern, hangeln sich durch Fensterbögen und Türme, während unzählige Fledermäuse in der Dämmerung ihre Kreise über die Silhouette der Anlage ziehen.
In den warmen Erdtönen wirkte die Festung wie ein stiller Wächter über dem geschäftigen Treiben der Altstadt. Der Blick auf die Anlage mit ihren verwitterten Mauern und Bastionen, die sich nahtlos mit dem umgebenden Felsen verschmelzen, verliehen ihr ein beinahe mysthisches Erscheinungsbild. Die Szene war ruhig und lebendig zugleich – ein eindrucksvolles Zusammenspiel aus Natur, Geschichte und Atmosphäre, welches uns bis in die Nacht hinein in den Bann zog.
Mittwoch, 24. September 2025 – Zugfahrt von Kota nach Jaipur
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns vom historischen Bundi. Veney, unser liebegewonnener und verlässlicher Fahrer, packte das Gepäck ins Auto und wir fuhren zur südöstlich gelegenen Ortschaft Kota am Chambal-Fluss.
Unser heutiges Programm sah vor, dass wir von Kota mit dem Zug nach Jaipur fahren und so unser Rajasthan-Erlebnis noch etwas intensivieren. Der Bahnhof von Kota war stark besucht und die unterschiedlichsten Menschen tummelten sich am Peron. Dabei war alles: vom Bettler, einfacher Arbeiter, bis hin zum Geschäftsmann, aber keine Touristen.
Bei der Einfahrt und beim Einsteigen des 17-Wagon langen Zuges entstand ein Gedränge. Veney begleite uns ins Wagenabteil, um sicher zu sein, dass wir auch unsere Plätze erhielten. Der Zug bestand aus verschiedenen Wagenklassen. Unser Wagen war klimatisiert und mit Liegeplätzen ausgestattet. Viele der Passagiere hatten es sich bereits auf ihren Liegen bequem gemacht und waren mit den verteilten weissen Leintüchern zugedeckt.
Um 12:20 Uhr fuhr der Ranthambhore SF Express mit der lustigen Nummer «12465» los. Was ist wohl mit der 3 passiert? Nach dem Verlassen der Stadt fuhr der Zug durch eine sich weit erstreckende flache Landschaft mit Feldern, kleinen Dörfern und immer wieder auftauchenden Herden von Ziegen oder Kühen. Nur vereinzelt konnte ich einen Hügel am Horizont erkenne. Um diese Jahreszeit war alles grün und die Bewirtschaftung der Felder in vollem Gange.
In den Abteilen herrschte ein lebendiges Treiben: Händler verkauften Tee, Snacks oder frisches Obst, während Mitreisende sich unterhielten, einfach auf der Pritsche schliefen oder ihr selbst mitgebrachtes Essen verspeisten. Zwischen den Wagons sassen und lagen ebenfalls Mitreisende. Da diese Zwischenbereiche nicht klimatisiert waren, wurden einfach die Zugtüren geöffnet und der angenehme Fahrtwind hereingelassen. Hier in Indien geht das noch!
Die Fahrt dauerte gute vier Stunden. Am Peron von Jaipur wartete Vinay, ein deutschsprechender Reiseleiter, der uns die zwei Tage, welche wir in Jaipur verbrachten, zur Seite stand. Am Bahnhof von Jaipur herrschte noch mehr Trubel als in Kota. In der weitläufigen Halle warteten duzende von Menschen sitzend oder liegend auf dem Boden geduldig auf ihre Züge – ein lebhaftes Szenario, geprägt von stetigem Kommen und Gehen.
Mit dem Auto fuhren wir zum Hotel Umaid Bhawan, wo wir uns im Pool abkühlten und danach in ein nahe gelegenes Restaurant gingen, um etwas zu Abend zu essen.
Donnerstag, 25. September 2025 – Jaipur: Hawa Mahal, Amber Fort & Jantar Mantar
Wir starteten um 09:00 Uhr auf die Stadterkundung. Jaipur, die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Rajasthan, wird oft als „Pink City“ bezeichnet – benannt nach der rosafarbenen Farbe, in der grosse Teile der Altstadt 1876 zu Ehren eines Besuchs des britischen Kronprinzen Albert gestrichen wurden. Die Stadt ist bekannt für ihre reiche Geschichte, prächtigen Paläste, imposanten Festungen und kunstvollen Tempel. Einen Teil dieser Sehenswürdigkeiten würden wir heute besuchen.
Als erstes fuhren wir zum Hawa Mahal – auch bekannt als „Palast der Winde“ – eines der eindrucksvollsten Bauwerke Jaipurs und ein echtes Wahrzeichen der Stadt. Mit seiner filigranen Fassade aus rosafarbenem Sandstein wirkt der Palast wie eine steinerne Honigwabe. Die fünfstöckige Front besteht aus 953 kleinen, kunstvoll verzierten Fenstern, durch die früher die königlichen Frauen das geschäftige Treiben auf der Strasse beobachten konnten, ohne selbst gesehen zu werden.
Die Frauen des königlichen Hofes, insbesondere die Königinnen und Konkubinen, lebten damals nach den strengen Regeln der „Purdah“ – einer sozialen und religiösen Praxis, die verlangte, dass Frauen aus höheren Gesellschaftsschichten vor den Blicken fremder Männer geschützt werden.
Das bedeutete, dass sie sich nicht öffentlich zeigen durften und nur hinter Vorhängen, Gittern oder eben durch die kleinen Jharokha-Fenster (verzierte Gitterfenster) wie hier im Hawa Mahal nach draussen schauen konnten. Der Palast ermöglichte es ihnen so, das Leben auf der Strasse zu beobachten und an Festen teilzuhaben, ohne selbst gesehen zu werden. Diese Tradition war besonders in islamisch und hinduistisch geprägten Königshäusern Nordindiens verbreitet.
Als nächstes führte uns Vinay zu dem etwas ausserhalb von Jaipur auf einem Hügel gelegenen Amber Fort, einer der beeindruckendsten Palastanlagen Rajasthans. Neben den Motorfahrzeugen tummelten sich nun auch Elefanten und Kamele auf der Strasse und es herrschte ein stärkeres sowie internationaleres Touristenaufkommen als an den bislang besuchten Orten.
Bereits der Aufstieg durch das gewaltige Tor und die massiven Sandsteinmauern vermittelte ein Gefühl von königlicher Pracht und strategischer Weitsicht. Im Inneren erwartete uns eine faszinierende Mischung aus Rajputen-Architektur und Mogul-Einflüssen: filigrane Fenster, reich verzierte Höfe, prächtige Säle und der berühmte Spiegelsaal (Sheesh Mahal), dessen Wände mit zahllosen kleinen Spiegeln geschmückt sind, die das Licht in alle Richtungen reflektieren.
Die gesamte Anlage wirkt wie ein Märchen aus einer anderen Zeit – weitläufig, kunstvoll und voller historischer Details. Von den oberen Terrassen bietet sich zudem ein weiter Blick auf das umliegende Tal und den Maota-See, der dem Fort malerisch zu Füssen liegt. Ein Ort, an dem man sich leicht in vergangene Zeiten träumen kann.
Zurück im kühlen Auto ging die Fahrt weiter zum Jantar Mantar, das grösste steinerne Observatorium der Erde. Jantar Mantar in Jaipur ist weit mehr als nur eine historische Sehenswürdigkeit. Es ist ein faszinierendes Zeugnis menschlicher Beobachtungsgabe und wissenschaftlicher Neugier. Die Anlage, die auf den ersten Blick wie eine abstrakte Kunstinstallation wirkt ist in Wahrheit ein hochpräzises astronomisches Observatorium. Erbaut wurde sie im frühen 18. Jahrhundert von Maharaja Jai Singh II., einem Herrscher mit tiefem Interesse an Astronomie und Mathematik. Sein Ziel: die himmlischen Bewegungen genauer zu verstehen, als es mit den damals verfügbaren Instrumenten möglich war.
Besonders beeindruckend ist die riesige Sonnenuhr „Samrat Yantra“ – die grösste ihrer Art weltweit. Mit ihrem 27 Meter hohen Schattenwerfer kann sie die Zeit mit einer Genauigkeit von nur zwei Sekunden anzeigen. Die Funktionsweise ist erstaunlich einfach und zugleich genial: Der Schatten des zentralen Gnomons fällt auf eine genau kalibrierte Skala, die je nach Sonnenstand die aktuelle Tageszeit anzeigt.
Neben der Zeitmessung dienten die Instrumente auch zur Bestimmung von Sternpositionen, Sonnenwenden, Planetenkonstellationen und sogar zur astrologischen Beratung. Für die damalige Zeit war dies revolutionär – Jantar Mantar brachte Wissenschaft und Kultur zusammen und ermöglichte präzisere Kalenderberechnungen, Wettervorhersagen und landwirtschaftliche Planung.
Nun hatten wir Hunger und machten uns auf in die engen Gassen von Jaipurs Stadtzentrum, um etwas zu Essen. Zwischen den rosafarbenen Fassaden reiht sich ein Geschäft ans nächste – von Stoffhändlern über Gewürzstände bis zu kleinen Werkstätten, in denen noch per Hand graviert oder geschmiedet wird. Der Duft von Räucherstäbchen, Tee und frisch frittierten Samosas liegt in der Luft, während Mopeds hupend an einem vorbeiziehen und Verkäufer ihre Ware lautstark anpreisen. Ein Erlebnis für alle Sinne!
Nachdem wir in diesem lebhaften Trubel in einem Strassenrestaurant eine Kleinigkeit gegessen hatten, führte uns Vinay für eine Besichtigung in eine Schmuckwerkstatt. Jaipur gilt als das Zentrum des Edelsteinhandels in Indien und man erhält einen spannenden Einblick in das traditionelle Handwerk. Man sieht, wie Rohsteine in Handarbeit geschliffen, poliert und kunstvoll gefasst werden. Die Kunsthandwerker demonstrierten mit erstaunlicher Präzision die verschiedenen Arbeitsschritte, vom Entwurf bis zum fertigen Schmuckstück. Besonders faszinierend war zu sehen, wie jahrhundertealte Techniken mit modernem Design kombiniert werden.
Anschliessend besuchten wir die funkelnden Ausstellungsräume, wo wir die Ergebnisse bestaunen konnten. Preislich lag dies jedoch ausserhalb unseres Reisebudgets, doch die beeindruckende Vielfalt an Edel- und Halbedelsteinen war faszinierend.
Für heute hatten wir genug Besichtigungen hinter uns. Zurück im Hotel Umaid Bhawan, kühlten wir uns im Pool ab und ruhten noch ein wenig, bevor wir am Abend zu einer Kochvorführung mit Abendessen bei einer indischen Familie gebracht wurden.
Nach einem herzlichen Empfang bereiteten wir erst einmal gemeinsam einen indischen Chai zu. Nebenbei wurden langsam die Kochtöpfe mit verschiedenem Gemüse gefüllt und in Senföl angebrutzelt. Es entstanden verschiedene vegetarische Gerichte, welche jeweils mit zahlreichen Gewürzen üppig angereichert wurden.
In der Zwischenzeit spielte Luca mit dem gleichaltrigen Sohn Josh und seiner 18-jährigen Schwester Uno. Anscheinend kannte man das Spiel auch hier in Indien. Vor dem Essen warfen wir uns noch in traditionelle indische Kleidung. So bekamen Luca und ich einen 22 Meter langen Turban auf den Kopf gebunden und Tanja erhielt ein gelbes Ghagra Choli, ein dreiteiliges Outfit, bestehend aus einem langen Rock, einer kurzen Bluse und einem Schal.
Das Essen schmeckte vorzüglich und wir hatten an dem Abend die Gelegenheit mehr über das indische Familien- und Alltagsleben zu erfahren.
Freitag, 26. September 2025 – Fatehpur Sikri und Weiterfahrt nach Agra
Um die einstige Hauptstadt des Mogulreichs am Ufer des Yamuna-Flusses zu erreichen, würden wir gute fünf Stunden Autofahrt benötigen. Doch wir legten nach rund drei Stunden einen willkommenen Stopp in der historischen Stadt Fatehpur Sikri ein.
Fatehpur Sikri liegt etwa 40 Kilometer westlich von Agra und wurde im 16. Jahrhundert vom Mogulkaiser Akbar erbaut. Sie diente rund 14 Jahre lang als Hauptstadt des Mogulreichs, bevor sie aufgrund von Wassermangel wieder verlassen wurde. Die Stadt wurde aus rotem Sandstein errichtet und beeindruckt durch ihre gut erhaltene Palastanlage, Moscheen, Innenhöfe und prächtige Tore.
Besonders bekannt ist die Jama Masjid, eine der grössten Moscheen Indiens, sowie das imposante Buland Darwaza, eines der höchsten Eingangstore der Welt. Die Architektur verbindet hinduistische, islamische und persische Stile – ein Spiegelbild von Akbars religiöser Toleranz.
Doch langsam hatten wir genug von Festungsanlagen, historischen Städten, Tempeln und Moscheen. Vor allem Luca langweilte sich immer mehr bei den Besichtigungen. Aber eine Anlage stand für einen Besuch noch ganz oben auf der Liste: Der Taj Mahal. Diesen würden wir gleich morgen in der Früh besuchen, bevor wir unsere Rundreise in Nordindien abschliessen würden.
Diese Nacht verbrachten wir im Hotel Coral Tree, ein kleines, charmant eingerichtetes Homestay mit kleinem Garten, wo wir auch ein leckeres Abendessen erhielten.
Samstag, 27. September 2025 – Agra: Taj Mahal & Mehtab Bagh
Wir starteten unseren Besuch des Taj Mahal in den frühen Morgenstunden. Bereits um 05:50 Uhr standen wir im Garten des Hotels Coral Tree für die Tour bereit. Unser deutschsprachiger Reiseführer liess auch nicht lange auf sich warten und wir machten uns zu Fuss auf den kurzen Weg zum Osttor des grossen Geländes.
Rinkesh, unser heutiger Guide, besorgte auf dem Weg die Eintrittstickets und begleitete uns durch die umfangreichen Sicherheitskontrollen am Eingang, wo es recht chaotisch zuging. Ähnlich wie an einem Flughafen wurden alle Taschen durchleuchtet und die Besucher durch Abtasten kontrolliert. Auch erhielten wir Schuhüberzüge, welche wir später beim Betreten das Mausoleums anziehen mussten.
Das Taj Mahal ist eines der bekanntesten Bauwerke der Welt und ein bedeutendes Symbol Indiens. Es wurde vom Grossmogul Shah Jahan in Auftrag gegeben. Anlass für den Bau war der Tod seiner geliebten Ehefrau Mumtaz Mahal, die 1631 bei der Geburt ihres 14. Kindes verstarb. Shah Jahan und Mumtaz Mahal verband eine tiefe, innige Liebe. Sie begleitete ihn nicht nur als Ehefrau, sondern auch als Vertraute in politischen Fragen. Ihr plötzlicher Tod traf den Herrscher schwer und aus Trauer und Liebe entstand der Wunsch, ihr ein einzigartiges Mausoleum zu errichten, das ihre Bedeutung und seine Gefühle für sie ewig widerspiegeln sollte.
Mit dem Bau wurde noch im selben Jahr begonnen und dauerte rund 17 Jahre. Fertiggestellt wurde das Taj Mahal 1648, wobei Arbeiten an der gesamten Anlage noch bis etwa 1653 andauerten. Über 20’000 Arbeiter und zahlreiche Handwerker aus ganz Asien waren daran beteiligt.
Architektonisch vereint das Bauwerk verschiedene Stilelemente aus der islamischen, persischen, indischen und osmanischen Architektur. Besonders auffällig ist die perfekte Symmetrie des gesamten Komplexes, der von einem grossen Garten mit Wasserläufen, einer Moschee und einem Gästehaus flankiert wird. Das Hauptgebäude ist aus weissem Marmor gefertigt, das je nach Tageszeit seine Farbe verändert. In den Marmor wurden kunstvoll Edelsteine wie Jaspis, Onyx, Türkis und Lapislazuli eingearbeitet.
Im Zentrum des Mausoleums befindet sich ein leerer Sarkophag, der Mumtaz Mahal symbolisch gewidmet ist – ihre sterblichen Überreste ruhen darunter in einer Krypta. Nach seinem Tod wurde auch Shah Jahan dort beigesetzt, sein Grab ist das einzige Element, das die sonst symmetrische Anlage durchbricht.
Das Taj Mahal ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern gilt auch als Denkmal der Liebe – ein Bauwerk, das aus Trauer entstand, aber weltweite Bewunderung für seine Schönheit und Geschichte findet. 1983 wurde es von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und gehört heute zu den „Neuen Sieben Weltwundern“.
Als wir die weitläufige Anlage wieder verlassen hatten, erwartete uns im Hotel Coral Tree erst einmal ein leckeres Frühstück. Danach packten wir unsere sieben Sachen und verliessen das nette Homestay mit Ziel Mehtab Bagh.
Mehtab Bagh ist ein historischer Gartenkomplex direkt gegenüber dem Taj Mahal, am anderen Ufer des Yamuna-Flusses. Der Garten bietet einen unglaublich tollen Blick auf das Taj Mahal. Der Name bedeutet übersetzt „Mondschein-Garten“ und er wurde ursprünglich im 16. Jahrhundert unter dem Mogulkaiser Babur, dem Begründer des Mogulreiches, angelegt und später unter Shah Jahan, dem Erbauer des Taj Mahal, überarbeitet. Der Garten war Teil einer grösseren, symmetrisch geplanten Anlage, die das Taj Mahal optisch vervollständigen sollte.
Er soll den Garten genutzt haben, um das Mausoleum seiner geliebten Frau Mumtaz Mahal aus der Ferne zu betrachten. Einige Überlieferungen und archäologische Funde deuten sogar darauf hin, dass Shah Jahan dort ein zweites Mausoleum aus schwarzem Marmor errichten wollte – ein Mythos, der bis heute fasziniert, aber nie abschliessend bewiesen wurde.
Wie verliessen Agra mit dem Auto. Die ursprünglich geplante Zugfahrt zurück in die Hauptstadt stornierten wir. Die Erlebnisse der Eisenbahnfahrt von Bundi nach Kota genügten uns und zudem würde unser Tag heute noch lange genug sein.
Für die Stecke nach Delhi benötigten wir gute drei Stunden. Wir checkten erneut im bekannten Lutyens Bungalows ein, wo uns Maple, die Hündin, wiederum herzlich begrüsste. Luca freute sich, dass er wieder im grossen Pool baden und mit Maple spielen konnte.
Das Abendessen nahmen wir im Garten des Lutyens ein, ehe wir gegen 23:00 Uhr mit unserem Fahrer Vinay und Reiseleiter Pravendra zum Flughafen aufbrachen, um Emilia abzuholen. Sie flog mit einem Begleitservice der Swiss ganz alleine von Zürich nach Dehli, nachdem Elsbeth und Hanspeter sie nach Zürich begleiteten und den Check-In mit ihr durchführten. Ganz schön taff für eine 15-jährige.
Sonntag, 28. September 2025 – New-Delhi: Ankunft Emilia
Es war bereits 01:00 Uhr, als wir nach der Abholung von Emilia am Flughafen von Dehli zurück in den Bungalows von Lutynes ins Bett gingen. Die Freude, dass Emilia nun bei uns war und dass alles gut geklappt hatte, war riesig. Von nun an konnten wir die Reise in Indien mit der kompletten Familie geniessen.
Nach dem Frühstück besuchten Tanja und ich die idyllischen Lodhi-Gärten, eine grüne Oase mitten in Delhi, die sich gleich bei uns um die Ecke befand. Emilia und Luca blieben im Lutynes, um zu «chillen»; also elternfreie Quality-Time mit Smartphone und Chips am Pool.
Die Lodhi-Gärten in Delhi haben uns mit ihrer ruhigen, weitläufigen Atmosphäre überrascht – ein friedlicher Rückzugsort mitten im hektischen Stadtleben. Zwischen alten Bäumen, gepflegten Wegen und blühenden Pflanzen liegen eindrucksvolle Bauwerke aus dem 15. und 16. Jahrhundert, darunter die Mausoleen von Muhammad Shah und Sikander Lodi. Besonders faszinierend war es, durch die alten Kuppelbauten zu schlendern, die mit kunstvollen Verzierungen und Bögen gestaltet sind.
Zahlreiche Einheimische nutzten die Anlage zum Spazieren, Joggen, Meditieren oder einfach, um allein oder in Gruppen beisammenzusitzen – eine schöne Möglichkeit, einen Einblick in das alltägliche Leben der Stadtbevölkerung zu gewinnen. Auch Yoga wurde an mehreren Stellen praktiziert. Tanja liess sich spontan darauf ein und nahm die Einladung eines Yogis an, bei einigen Übungen mitzumachen. Eine unterhaltsame Erfahrung, bei der wir mit den aufgeschlossenen Menschen schnell ins Gespräch kamen.
Am späteren Abend wartete ein Abenteuer der anderen Art auf uns: eine Radtour durch Süd-Delhi. Veney, unser Fahrer holte uns ab und lud uns irgendwo im Strassenwirrwarr der Grossstadt ab. Ashutosh, ein Guide von «Delhi by Cycle», begleitete uns zu dem kleinen Standort, wo die Fahrräder gelagert wurden. Es war drückend heiss – da kam der Fahrtwind auf dem Velo gerade richtig.
Doch Fahrradfahren in einer indischen Grossstadt ist eine Herausforderung – es erfordert viel Aufmerksamkeit, Vorsicht und einen ständigen Rundumblick, um sicher unterwegs zu sein. Als Radfahrer zählt man, neben den Fussgängern, eindeutig zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern. Die Strassen werden von Autos, Motorrädern, Rikschas und sogar Kühen bevölkert und es braucht einiges an Konzentration und Mut, sich in diesem lebendigen Durcheinander seinen Weg zu bahnen.
Dafür erlebten wir das alltägliche Stadtleben hautnah: Der Weg führte vorbei an kleinen Teeständen, duftenden Garküchen, lokalen Märkten und durch belebte Wohnviertel. Hupende Fahrzeuge, enge Gassen und freundliche Zurufe begleiteten die Fahrt. Überall spielten Kinder, ein dichtes Gassenwirrwarr mit kleinen Verkaufsständen, Metzgereien, Bäckereien, Gemüseverkäufern und Menschen, die vor ihren Eingängen am Boden sassen, prägten das Strassenbild. So entdeckten wir versteckte Ecken der Stadt und bekamen einen authentischen Einblick in das pulsierende Leben der Metropole – aus einer völlig neuen Perspektive.
Es war bereits dunkel, als wir mit den Fahrrädern zum Ausgangspunkt zurückkehrten. Ich hatte ein unbehagliches Gefühl ohne Licht auf den dicht befahrenen Strassen unterwegs zu sein. Doch Lichter an Fahrrädern scheint man hier nicht zu kennen. Schliesslich hatten wir eine laute Fahrradglocke, mit der man auf sich aufmerksam machen konnte und zwei Guides (einer vorne und einer hinten), die uns begleiteten.
Gerade noch rechtzeitig zum Abendessen kehrten wir in die Lutyens Bungalows zurück. Danach packten wir erneut unsere Koffer für die morgige Weiterreise in den Süden Indiens.