Von Budapest nach Debrecen
Montag, 23. Juni 2025 - Etappe 08: Hortobágy – Debrecen (42 km)
Im kleinen Ort gab es gleich in einer Parallelstrasse meiner Unterkunft einen Coop, wo ich Verpflegung einkaufen konnte. Sogar guten Kaffee gab es an der Kasse. Ein frisches Strudelstück und ein Schokoladenbrötchen komplettierten mein Frühstück.
Um 07:30 Uhr startete ich auf das letzte Teilstück meiner diesjährigen Weitwanderung. Über 42 Kilometer trennten mich vom Zielort Debrecen. Eine bessere Verteilung der Strecke war nicht möglich. Jedoch war es die letzte Etappe, da durfte ich nochmals gefordert werden und ein darauffolgender Ruhetag war auch schon absehbar.
Ich verlies das nette Örtchen Hortobágy und bog ausserhalb sogleich auf einen weitläufigen Feldweg ab. Es war erstaunlich wie viel Rebhühner, Rehe und Feldhasen ich zu sehen bekam. Ständig kreuzten sich unsere Wege. Meist fühlte sich das Rotwild und die Hühner von mir gestört. Anders hatte ich den Eindruck von den Hasen. Die hörten und sahen mich schon von Weitem; sitzend, mitten auf dem Feldweg. Aber sie sausten jeweils erst los, als ich bis auf wenige Meter an sie herankam.
Als ich über ein weiteres Feld lief, kam mir ein Traktor entgegen. Der etwas festere, lustig aussehende Fahrer, lies das Steuerrad los und winkte mir fröhlich zu. Mit der anderen Hand hielt er sich das Mobiltelefon ans Ohr. Ja, die Netzabdeckung ist hier überall hervorragend. Sicherlich auch für die Bauern von Vorteil.
Ich gelangte zurück zur Hauptstrasse und wollte den nächsten Feldweg wieder abbiegen. Doch da befanden sich Verbotsschilder, die unmissverständlich darauf hinwiesen, dass hier der Zugang verboten war. Auch für Wanderer. Mit entsprechender symbolischer Abbildung.
So ein Mist, dachte ich mir. Ich musste irgendwie wieder in die Pampa gelangen, um nicht die nächsten 10 Kilometer entlang der Hauptstrasse gehen zu müssen. Ich folgte der Hauptverbindungsachse etwa einen Kilometer bis zur nächsten Feldwegabzweigung. Hier befand sich kein Schild. Vermutlich würden auch die wenigsten hierhergelangen, um diesen sehr spärlich ausgeprägten Pfad zu folgen.
Vor einiger Zeit musste hier ein Traktor durchgefahren sein. Die Abdrücke wiesen mir den Weg in dieser, dürren und weitläufigen Steppe. Ich war nun voll in der Puszta! Vieles erinnerte mich an die Zeit in der Mongolei, wo es zum Verwechseln ähnlich aussehen kann.
Wikipedia sagt, dass die Puszta der westlichste Ausläufer einer eurasischen Vegetationszone (Eurasische Steppe), die sich von hier – mit kleinen Unterbrechungen z. B. durch die Karpaten und den Ural – bis in die Mongolei erstreckt. Das deckt sich auch mit meinem Vergleich und meiner Wahrnehmung.
Das Gebiet ist beeindruckend und bezauberte mich. So eine Landschaft hatte ich nicht erwartet. Auch wurde ich mit dem Umstand konfrontiert, dass es in der Steppe Sumpfgebiete geben und der trockene Boden schnell in schlammigen Untergrund wechseln kann.
Abenteuerlich kämpfte ich mich so durch den einen oder anderen Sumpf. Einmal sogar knietief durchs dreckige Wasser. Ich fragte mich dabei, ob meine Trail-Running-Schuhe jemals wieder sauber werden würden?
Noch ehe mein Pfad nach einigen Kilometern ein Bauerngut erreichte, bog ich querfeldein ab, um zurück auf die Hauptstrasse zu gelangen. Ich wollte nicht auf Leute oder eventuell freilaufende Hunde treffen. Als ich auf der Hauptstrasse schliesslich die Abzweigung zum Weiler des Bauernguts erreichte, waren da ebenfalls wieder Verbotsschilder für Wanderer. Mein Instinkt, vorher zurück zur Strasse zu gelangen, war also richtig.
Wie ich auf den nächsten Kilometern den Hinweisen entnehmen konnte, war der Zutritt wirklich nicht für die Öffentlichkeit erlaubt. Trotzdem war ich glücklich, dass ich diese Landschaft erleben durfte.
Mit der Überquerung des Keleti-főcsatorna (Kanal der Theiß), war ich wieder in der Zivilisation. Zahlreiche Schrebergärten und kleine Häuschen zierten die Promenade des Kanals, welcher meist durch einen breiten Schilfgürtel gesäumt ist. Hier sind die Fischer zu Hause. Ein kleiner Steg folgt dem nächsten. Alles privat und abgesperrt. Es gab aber auch Ausnahmen und ich nahm die Gelegenheit war, um auf einem eine Pause einzulegen und die Füsse ins Wasser zu strecken.
Gegen Mittag erreichte ich die Ortschaft Nagyhegyes. Mich trennten noch 25 Kilometer von Debrecen. Ich hatte unglaublich grossen Appetit oder wie die Sportler sagen würden: eine Hungerrast.
Ich kaufte ein Cola, um den sofortigen Durst zu löschen, ein kleines Bier, um den Erfolg zu feiern, die Hälfte der heutigen Etappe erreicht zu haben, einen Eistee mit Mango- und Zitrusgeschmack sowie einen Yogidrink als Nachspeise. Zum Essen mussten Salzgebäcke und Käsewürstchen her. Möglichst etwas Fettiges; ich benötigte Energie!
Nachdem ich das alles verschlungen hatte, gestattete ich mir ein Nickerchen auf einer Holzbank im schattigen Park von Nagyhegyes. Danach ging es mit neuen Kräften bei 32 Grad Celsius in der prallen Sonne weiter.
Die einsame, biodiverse Steppe weichte nun abrupt der professionell angelegten monotonen Landwirtschaft. Hafer, Weizen, Sonnenblumen und Maisfelder wechselten sich ab. Auf den mit Gras bestückten Abschnitten schoss hie und da eine Windhose in die Höhe und trug das zum trockenen liegengelassenen Heu in die Höhe wie ein kleiner Wirbelsturm.
Nachdem ich die nationale Autobahn M35 westlich von Debrecen überquert hatte, traf ich auf das vorgelagerte Industriegebiet der Stadt. Von nun an waren alle Strassen asphaltiert. Es galt durchzuhalten und die Zähne zusammenzubeissen; die letzten Kilometer standen an.
Durch unattraktive Vorstadtgebiete erreichte ich allmählich das Zentrum. Meine Unterkunft, das Belga Boutique Panzió, konnte zentraler nicht gelegen sein. Ich lief just darauf zu und war erstaunt, dass ich schon da war. Vor 11 Stunden brach ich in Hortobágy auf, nun hatte ich das Ziel meiner achttägigen Wanderung erreicht.
Nach einer Dusche schaffte ich es nur noch runter auf die Terrasse des Hotelrestaurants an der Promenade der Innenstadt. Das Essen und die Ambiance waren grossartig. Ich war angekommen und freute mich auf den morgigen relaxten Tag, wo ich die Stadt erkunden würde.