Die Tramuntana-Durchquerung

Samstag, 12. Mai 2007

Mallorca - was für ein Schlagwort als Ferienziel.

Sonnenanbetende, ölbeschmierte Körper, welche sich aussen röten und innen mit Unmengen Sangria abkühlen. Laute Schlagermusik, welche aus nach Weisswurst stinkenden, authentisch bayrischen Biergärten schrillt, begleitet von heiserem, falsch gestimmten Menschengeblöke. Und dies alles auf einem der schönsten Flecken Spaniens!

Einiges musste ich im Vorfeld an Kommentaren hinnehmen. Irgendwie wird die Insel ihr Ballermann 6 Image nicht los. Ein Grund, sich selbst ein Bild der Lage zu verschaffen. Schliesslich ist Mallorca dank Easyjet von Basel in eineinhalb Stunden einfach erreichbar.

In Palma.
In Palma.

Heute war es also soweit. Zusammen mit Marc und Dominik landete ich morgens um neun Uhr in Palma. Unser Plan war es, in fünf Tagesetappen von Valldemossa über den Tramuntana-Gebirgszug nach Pollenca zu wandern. Nur mit kleinem Rucksack von Ort zu Ort.

Der heutige Tag jedoch war ganz der Entspannung gewidmet. Wir schauten uns das Zentrum von Palma ein wenig genauer an, besichtigten die La Seu Kathedrale und trafen einige organisatorische Vorbereitungen für die nächsten Tage.

Am Nachmittag bezogen wir dann unser Zimmer im Hotel Horizonte in Porto Pi, in der Nähe von Palma. Das Wetter war erwartungsgemäss schön und heiss, und wir akklimatisierten uns am Hotelpool langsam bei dem einen oder anderen Bierchen.

Den Abend verbrachten wir im Zentrum von Palma im originellen Restaurant "La Gabaña". Originell deshalb, weil die deutsche Speisekarte Übersetzungen wie "Kalbssteaknadel" (Kalbsfilet), "tapfere Kartoffel" (Patatas bravas) und "Anzahl Vorhangringe" (Portion Calamares) enthielt!

In Palma selbst waren zwar viele Touristen unterwegs, wirklich was los war jedoch nicht. Vermutlich startet das Halli-Galli erst ab Pfingsten. Ein Grund für uns, doch nicht zu spät ins Bett zu kommen.

Weitere Fotos vom Samstag, 12. Mai 2007

Sonntag, 13. Mai 2007

Um 10:00 Uhr fuhr der öffentliche Bus 210 am Busbahnhof von Palma ab ins Landesinnere. Die Fahrt nach Valldemossa dauerte eine halbe Stunde. Die Strasse ging meist entlang an grossen Mandelbaumplantagen, deren Blütezeit leider schon vorbei war. Dafür blühten viele andere schöne Pflanzen wie der Dornginster, die Wildgladiole und der Affodill.

Valldemossa ist ein wunderschönes, auf Tourismus ausgelegtes Bergdörfchen. Sehr sauber und mit Liebe zum Detail gepflegt. Abends, wenn all die Touristenbusse weg sind, wird es hier bestimmt sehr romantisch.

Nach einem Rundgang in den engen Gassen der Unterstadt, deckten wir uns nochmals mit Proviant ein und starteten um halb zwölf Uhr die erste Etappe nach Deià. Sie führte hinauf zum Nationalpark Son Moragues, mitten durch einen grossen Steineichenwald. Dort begann der von Luis Salvador angelegte Höhenweg Cami de S’Arxiduc. Er führte in atemberaubendem Verlauf entlang einer 200 Meter senkrecht abfallenden Steilwand. Immer wieder luden sensationelle Aussichten zum Verweilen ein. Drei Stunden später brachte uns ein steiler Abstieg in ein wunderschönes grünes Tal. Die Baumkrüppel alter Olivenbäume und die spektakulären Terrassenbauten, liessen auf eine sehr lange Bewirtschaftung deuten.

Gegen halb fünf Uhr liefen wir am Nachmittag im malerischen Deià ein. Umgeben von Gärten mit Oliven-, Mandel- und Zitrusbäumen bildet Deià am Fusse des Teix-Massives ein idyllisches Dörfchen. Der ältere Ortskern, wo sich auch unsere Pension Villa Verde befand, lag auf der Bergkuppe, welche man nur über die vielen verwinkelten Gassen erreichte. Die Aussicht von der Gartenterrasse der Pension auf das Teix-Massiv war genial, wenn auch der starke Wind immer wieder böenartig um sich blies.

Der Höhepunkt des Abends war das Nachtessen. Gefüllte Avocados, Fischsuppe und Kabeljau mit Königsgarnelen, um einige Leckerbissen aufzuzählen. Zum Dessert gönnten wir uns noch ein Wodka-Zitronen-Sorbet bevor wir nach einem kurzen Erkundungsspaziergang zurück in die Villa Verde gingen. Da in Deià die Touristenbusse nicht anhalten dürfen (wieso auch immer), und somit nur selbst anreisende Individualisten vorbeikommen, war es abends sehr still im Ort. Nur der stürmische Wind polterte an die Fenster und lies die Bäume rauschen.

Strecke: Palma - Valldemossa - Pla des Pouet - Pouet - Veià - Puig des Caragoli - Deià

Marschzeit: 5 Stunden

Weitere Fotos vom Sonntag, 13. Mai 2007

Montag, 14. Mai 2007

Unsere zweite Etappe starteten wir um 09:00 Uhr. Der Camí de Castelló, einen alten Pilgerweg der die Orte Deià und Sóller miteinander verbindet, stand uns auf dem ersten Stück zur Verfügung. Er verlief parallel zur Küste und bot uns immer wieder grandiose Weitblicke. Unser Ziel war Port de Sóller, ein Hafenstädtchen mit einer malerischen Bucht, über dessen Vergangenheit wir später noch einiges erfahren werden.

Da wir genug Zeit hatten, wechselten wir auf den Camí de Muleta, ein Verbindungsweg zum Cap Gros. Um den Pauschalwanderern - und auf diesem Teilstück hatte es einige - aus dem Wege zu gehen, versuchten wir unser Glück auf alten Trampelpfaden direkt oberhalb der Küstenklippen. Einige Male verloren wir den Pfad und mussten uns durch hohes Gras und dornige Büsche kämpfen. Als wir uns schliesslich der Bucht näherten, hörten wir schon von weitem Schüsse und Explosionen...

Vielleicht der wichtigste Tag in der Geschichte Sóllers war der 11. Mai 1561, an dem eine Flotte türkischer Piratenschiffe die Bucht von Sóller besetze. Über 1700 Türken sollen damals in Hafen und Stadt eingelaufen sein. Im Gegensatz zu früheren Invasionen setzte sich dieses Mal die Bevölkerung massiv gegen die Angreifer zur Wehr. Speziell auch Frauen sollen zu Schwert und Lanze gegriffen und dazu beigetragen haben, dass die Piraten in die Flucht geschlagen wurden.

Seither wird an jedem zweiten Montag im Mai diese Schlacht im Hafen von Sóller mit einer riesigen Siegesfiesta nachgespielt.

Wir checkten im Hotel Marbell ein, gönnten uns zum ersten Mal seit wir in Mallorca waren ein Bad im Meer, und beobachteten anschliessend das Spektakel in sicherer Entfernung von unserem Balkon aus. Denn wer den Piraten zu nahe kam, der wurde mit Kohle beschmiert oder auf eine andere Art geneckt. Immer wieder krachte es. In Gewehren wurde Schwarzpulver abgeschossen, Kinder mit Holzschwertern stellten Piratenkämpfe nach und die verkleideten Frauen schwangen neckisch ihre Röcke.

Dann folgte das Showdown. Die beiden Parteien postierten sich gegenüber am Strand und mit Feuerwerksgekrache, Geschrei und erhobenen Schwertern rannten sie aufeinander los. Ein riesiges Spektakel.

Wir wollten uns dies natürlich nicht entgehen lassen. Die grosse Party - so sagte man uns - findet in Sóller selbst statt und würde die ganze Nacht andauern. Wir nahmen also das "hölzerne" Tram welches die beiden Orte miteinander verbindet und fuhren nach Sóller. Das Fest war bereits in vollem Gange und eine grandiose Show bot sich uns. Fast alle waren kunstvoll verkleidet, Musik wurde gespielt und mit dem einheimischen Bier konnte man sich erfrischen. Wir freuten uns sehr über dies unerwartete Fest, welches dazu beitrug, dass auch wir die Schlacht von 1561 in Erinnerung behalten werden.

Strecke: Deià - Son Mico - Cap Gros - Port de Sóller

Marschzeit: 6 Stunden

Weitere Fotos vom Montag, 14. Mai 2007

Dienstag, 15. Mai 2007

Die längste Etappe unserer Wandertour stand an. Mit wenig Schlaf und einem brummenden Kopf füllten wir unseren Wasser- und Speiseproviant auf. Dann ging es los. Es war bereits 09:30 Uhr und neuen Stunden Marsch lagen vor uns. Es galt also ein bisschen Zeit gut zu machen.

 

Durch herrliche Zitronen- und Orangenplantagen erreichten wir wenig später Coll d’en Marques wo der Wanderweg auf den Camí de Figurea, danach auf den Camí de Fornalutx wechselte. In Fornalutx kauften wir unser Mittagessen ein und machten uns gleich auf in den Barranc de Biniaraix. Der Camí de Barranc de Biniaraix ist ein wunderschöner Teil des Pilgerweges GR-221. Hier in dieser Idylle gönnten wir uns endlich eine Pause. Doch nur kurz, denn wir hatten erst 300 der 700 Höhenmeter hinter uns.

Um 14:30 Uhr erreichten wir schweisstriefend den Coll de L’Ofre und konnten den Cúber Stausee erblicken. Vorbei am See, stand uns bald der letzte Aufstieg bevor. Ein wunderschöner Trail mit einem kurzen Klettersteig sollte uns zum Refugio Tossals Verds - unserem heutigen Tagesziel - bringen. Obwohl wir schon sieben Stunden unterwegs waren, genossen wir diesen wunderschönen, verlassenen Weg zur Berghütte. Kein Massentourismus drang bis dahin in dieses Gebiet ein. Ruhe pur.

Auch das Refugio lief auf Sparflamme. Gerade mal drei weitere Wanderer hatten den Weg hierher gefunden. Das Highlight: Es gab eine Dusche! Nach den neun Stunden Marsch war dies eine wohltuende, wenn auch "kalte" Tat.

 

Zum Abendessen gab es erst eine Blumenkohlsuppe, gefolgt von leckerem Brathähnchen mit Gemüse und Kartoffeln.

Strecke: Port de Sóller - Fronalutx - Biniaraix - Cúber Stausee - Refugio Tossals Verds

Marschzeit: 9 Stunden

Weitere Fotos vom Dienstag, 15. Mai 2007

Mittwoch, 16. Mai 2007

In der Nacht im Massenlager konnte ich mich gut erholen. Jeder hatte sein eigenes Bett und eine richtige Bettdecke. Nach dem Frühstück verliessen wir das Refugio Tossal Verds. Unser Ziel war, den zweithöchsten Berg Mallorcas zu besteigen (der höchste ist der Puig Major und liegt in einer militärischen Sperrzone).

 

Durch einen wunderschönen Steineichenwald erreichten wir bald die Font des Prat, eine wichtige Wasserquelle für das Naturschutzgebiet. Danach stiegen wir höher und höher bis wir gegen 11:30 Uhr den Pass "Cou de Ses Cases de Sa Neu" erreichten. Hier begann die kleine Kletterpartie (2+) auf den Puig de Massanella. Die Route war jedoch nicht weiter schwierig und schon fast enttäuscht waren wir auf dem 1367 Meter hohen Gipfel angekommen. Erstaunt waren wir jedoch über das hier herrschende Klima. Nur mit dem Faserpelz oder der Windjacke waren die Temperaturen angenehm. Auch die Vegetation hat sich dem Klima angepasst. Die Baumgrenze liegt hier auf etwa 1000 Meter und die Bergketten ringsum erinnern an alpine Gebiete in 2000 Meter Höhe.

Auf dem zweithöchsten Berg Mallorcas: Puig de Massanella
Auf dem zweithöchsten Berg Mallorcas: Puig de Massanella

Die im Refugio organisierten Lunchpakete genehmigten wir uns noch auf dem Gipfel bei einem sensationellen Rundumpanorama welches bis zum Meer reichte. Danach stiegen wir wieder ab. Der GR-221 brachte uns schliesslich in zwei weiteren Stunden nach Lluc, wo wir im Kloster ein Zimmer reserviert hatten. Das Kloster Lluc liegt in einem Talkessel des zentralen Tramuntana Gebirges. Die umliegende Bergregion ist überwiegend dick bewaldet, beherbergt aber auch Acker-, Obst- und Gemüsegärten. Bereits um 1260 wurde aus der damals bestehenden Kappelle eine Eremitage des Augustinerordens und später das Monastir de Lluc. Die Gebäude des heutigen Komplexes gehen bis auf das 17. und 18. Jahrhundert zurück. Schon Ende des 16. Jahrhunderts konnten Pilger im Kloster übernachten. Heute waren wir an der Reihe.

Nach der Einquartierung in ein schlichtes, sauberes Zimmer, assen wir im Klosterrestaurant richtig mallorquinisch zu Abend. Es gab mallorquinische Suppe, gefolgt von einer grossen Pfanne Paella. Als ob dies nicht schon gereicht hätte, bestellten wir zum Dessert noch ein hausgemachtes Tiramisu und drei Gläser des traditionellen Hierbas, einen Kräuterlikör.

Strecke: Refugio Tossals Verds - Coll de Ses Cases de Sa Neu - Puig de Massanella - Puig d’en Galileu - Kloster Lluc

Marschzeit: 5 Stunden

Weitere Fotos vom Mittwoch, 16. Mai 2007

Donnerstag, 17. Mai 2007

Die letzte Etappe der Tramuntanadurchquerung stand an. Ganz traditionell folgten wir dem Pilgerweg GR-221 von Lluc in Richtung Pollenca. Die letzen Wandertage lagen uns in den Gliedern und zu allem Trotz hatte ich mich Gestern auf dem Puig de Massanella auch noch erkältet. Gemächlich ruhig gingen wir also voran, immer weiter runter in Richtung des Meeres. Auf dem Camí Vell de Pollenca, ein Teilabschnitt des GR221, durchquerten wir grosse Wälder mit Steineichen, welche uns vor der stechenden Sonne schützten. Es war erstaunlich, dass diese Baumart in diesem Steingelände wirklich gedeihen konnte.

Schliesslich erreichten wir die Ebene und der Weg ging an malerischen Weiden und Plantagen vorbei. Um 15:00 Uhr liefen wir in Pollenca, dem Zielort unserer Wanderung ein. Mit dem Bus gelangten wir wenig später ans Meer zum Port de Pollenca. Hier liessen wir uns im sehr schönen Hotel Uyal nieder.

Port de Pollenca war ganz klar ein touristisches Ziel. Grösstenteils verbrachten hier Engländer fortgeschrittenen Alters oder Familien mit Kleinkindern ihren Urlaub. Unsere Altersgruppe fand man hier nur unter den Einheimischen, was uns auch nicht weiter störte. Denn Bettruhe war angesagt. Wir alle waren erschöpft, erst recht nach dem guten mallorquinischen Nachtessen.

Strecke: Kloster Lluc - Pollenca

Marschzeit: 4.5 Stunden

Weitere Fotos vom Donnerstag, 17. Mai 2007