Von Innsbruck nach Salzburg - Tag 1
Dienstag, 25. Juli 2017
Innsbruck – Hall – Wattens – Schwaz – Jenbach (ca. 40 km)
Ich gebe mir eineinhalb Stunden um Innsbruck anzusehen. Doch allzu viel ist am frühen Morgen in der Bundeshauptstadt von Tirol nicht los. Wer arbeiten gehen muss ist mit einem Regenschirm ausgerüstet und die Touristen der Stadt liegen noch in den Hotelbetten oder verköstigen sich am Frühstücksbuffet.
Die Erkundung "ohne Plan" hatte etwas Gutes, denn nach dem Sightseeing befand ich mich ungeplant wieder vor der Triumphpforte des Erzherzogs Leopold am Ende der Maria-Theresien-Strasse. Hier würde meine Wanderung beginnen.
Als erstes visierte ich den Fluss Sill an. Seine Ufer wiesen mir den Weg zum Inn, welcher mich die nächsten zwei Tage wortwörtlich an meiner Seite begleiten würde. Auf schön ausgebauten, leider asphaltierten Flusspromenaden schritt ich dahin. Ab und zu kamen mir schon etwas ältere Walking-Sportlerinnen entgegen, welche mich verlegen musterten und hinterher schauten. Wäre ich ihr Wunschschwiegersohn gewesen? Frohen Schrittes und mit einer guten Portion Bestätigung ging ich voran.
Das Tagesziel hiess Jenbach. Während dem Frühstück hatte ich dort im Hotel Jenbacherhof ein Zimmer reserviert. Bis dort musste ich also kommen. Kein Problem, mache ich mit Links. So dachte ich zumindest am ersten Wandertag.
Der Tag war trist und es wollte gar nicht richtig hell werden. Der Ballungsraum rund um Innsbruck war durch viele Wohnquartiere gekennzeichnet. Kinder- und Hundefreundlich – zumindest vordergründig. Denn alle hundert Meter reihten sich ein pompöser Kinderspielplatz hinter den nächsten. Dazwischen existierten teilweise eingezäunte Hunde-Grünstreifen, wo die Vierbeiner sich austoben konnten. Oder anders gesagt: Hundekacke war in Stadtnähe nur innerhalb von definierten Ecken erlaubt.
Auf meinem Weg nach Hall hatte ich aufgehört die Kinderspielplätze zu zählen. Denn ich war mir in der Zwischenzeit sicher, dass es wohl mehr Spielplätze als Kinder in dieser Region geben muss! Doch wo gehen die alle ihr Geschäft verrichten? Wo gehen die Papas hin, wenn sie mal Pinkeln müssen oder die Oma, die eine schwache Blase hat? Für die Hunde war ja gesorgt, jedoch für engagierte Wanderer die hier vorbeikommen und langsam den Verdauungsprozess des Frühstücks im unteren Bauchbereich spüren nicht!
In Hall fand ich nicht nur eine Toilette, sondern auch ein tolles Kaffee. Es war das Kaffee von Brigit, welche über eine grosse Stammkundschaft verfügte. Obwohl der Zeiger der Kirchenuhr erst auf die Ziffer 10 zeigte, war der kleine Innenraum mit Holzbar bereits gut mit Gästen gefüllt. Es gab Kaffee, Süsses, Bier und Weisswein. Dazu wurde – wie in Österreich in eingefleischten Kneippen üblich – munter geraucht.
Dies störte mich hier nicht weiter, da auf dem Vorplatz gemütliche Tische und Stühle an der frischen Luft bereitstanden. Vor wenigen Minuten kam die Sonne hinter den Wolken hervor und liess Hall in seiner ganzen mittelalterlichen Schönheit erblicken. Besser konnte das Timing nicht sein.
Nach zwei Kaffees, ein wenig Lesen und dem Beobachten der Menschen die hier entlanggingen, verliess ich das lauschige Plätzchen und machte mich auf in das kleine Stadtzentrum. So viel Zeit musste sein, denn Hall war wirklich einen Spaziergang wert. Im Nachhinein komme ich sogar zum Schluss, dass Hall und Rattenberg (eine Ortschaft die ich noch passieren würde), zu den sehenswertesten Städtchen der ganzen Wanderung gehörten.
Der Weg nach Wattens war in etwa nochmals so lange wie nach Hall. Hier, am Heimatort von Swarovski und seiner Kristallwelten, würde meine Mittagspause sein. Entsprechend dem Bekanntheitsgrad von Swarovski zieht Wattens Leute aus aller Welt an. Tourismusbüros, Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, Hotels, Ferienanlagen etc. gehörten natürlich zum Umfang einer guten Gastgebergemeinde.
Ich liess mich im Garnder-Restaurant nieder. Eine eher gehobenere Gaststätte, jedoch mit einem akzeptablen Mittagsmenüpreis und – was noch wichtiger ist – einem Sitzplatz an der frischen Luft, wo ich meine Wanderstiefel ausziehen konnte. Bereits bei der Ankunft fielen mir die vielen Auszeichnungen der Lehrlingsausbildung auf. Anscheinend war das Restaurant für die Nachwuchsförderung im Gastronomiebetrieb bekannt. Und wenn ich mich umschaute, so waren auch heute einige lernende junge Damen im Dienst.
Meine Kellnerin schätzte ich auf knapp 18 Jahre und Sie war stets bemüht mich korrekt zu bedienen. Als ich schliesslich fertig gespiesen hatte und nach der Rechnung verlangte, wurde diese auch umgehend gebracht. Euro 21.60 stand auf der Quittung. Ich gab ihr einen 50 Euroschein und sagte sie soll auf 23.- Euro aufrunden. Sie bejahte "sehr gerne" und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Mit grossem Lächeln und einer Dankbarkeit in den Augen legte sie das Wechselgeld auf den Tisch. Ich war auf mich stolz und dachte "schon wieder jemanden glücklich gemacht"!
Erst beim einsteckend des Wechselgeldes realisierte ich, dass sie mir nur auf 30 Euro herausgegeben hatte. Vermutlich klang mein mit schweizerischem Akzent gesprochenes 23 in den Ohren eines Tiroler Teenagers wie ein 30. Doch die junge Dame war bereits wieder im Restaurant und erzählte aufgeregt ihren zwei ebenso alten Kolleginnen was für ein spendabler Gast ich sei. Diese schauten mit eifersüchtigen Augen zu mir rüber während ich meine Wanderschuhe band. Ich konnte die Aktion schon rein aus moralischen Gründen nicht mehr rückgängig machen. Ihr hinterherwinken beim Losmarschieren reichte mir. Hatte ich mein Geld doch schon sinnloser ausgegeben.
Grosse Teile der Strecke nach Schwaz verbrachte ich auf dem sehr schön angelegten Hubertusweg. Endlich mal eine Wanderstrecke die nicht asphaltiert war. Doch wenig später wurde ich bereits wieder bestraft. Denn mein Weg von Schwaz nach Jenbach führte auf einem geteerten Fahrradweg entlang der Autobahn A12. Alles gerade aus; kilometerlang; wenige Meter neben der lärmenden Autobahn; ohne Möglichkeit einen Alternativweg zu wählen; dies nach 10 Stunden auf den Beinen.
Meine Füsse waren damit nicht einverstanden und beschwerten sich zunehmend. Auch noch als ich im Hotel Jenbacherhof meinen Körper in der Wellnessoase verwöhnte. Und auch noch als ich mich nach dem Abendessen ins Bett legte. Die nächsten Tage müssten wir uns jedoch damit abfinden, denn es lagen noch weitere gemeinsame vier Etappen vor uns.