Eseltrekking Frankreich

Sontag, 08. August 2021 – Tag 1: Villard de Lans - Les Vordaignes

Die Spannung stieg. Nach dem Frühstück machten wir uns mit zahlreichen Gedanken rund um die nächsten Tage in unseren Köpfen auf zum Treffpunkt: wird alles klappen? Haben wir nicht zu viel Gepäck dabei? Haben wir denn alles? Ist das Gewicht zu schwer für die Esel? Würden wir die Route finden? Konnten wir uns genügend um die Tiere kümmern und die Verantwortung wahrnehmen? Konnten wir uns mit dem wenigen Französisch genügend verständigen bzw. die Instruktionen verstehen?

Die einen sind am Packen... der andere ruht sich aus ;-)
Die einen sind am Packen... der andere ruht sich aus ;-)

Das Wetter war schon mal auf unserer Seite. Nach wochenlangem Regen war ein Sommerhoch für die nächsten Tage angesagt. Glück muss man eben haben! Um es vorwegzunehmen… bei Regenwetter wäre eine solche Unternehmung eine reine Tortur und Stresstest für die ganze Familie mit offenem Ausgang gewesen.

Wir sind bereit. Es kann losgehen!
Wir sind bereit. Es kann losgehen!

Doch es klappte wie am Schnürchen. Kurz nach 09:00 Uhr trafen wir beim Wohnwagen des Eseltourenanbieters "Auprès de mon âne" http://www.ane-vercors.fr/ ein und Caroline, die Vermieterin, begrüsste uns herzlich. Zum Glück konnte sie auch ein wenig Englisch und so funktionierte die Instruktion perfekt.

Nach einer einstündigen Einführung, Routenplanung und Sattelung liefen wir mit unseren zwei neuen Weggefährten Tilleul (zu Deutsch: Lindenbaum) und Vladimir zu unserem Auto. Hier wurden die zwei grauen Vierbeiner mit Proviant, Kochutensilien, Zelten, Schlafsäcken, Gepäck und Wasser für die nächsten Tage üppig beladen. Wir fragten uns immer wieder, ob dies nicht zu viel Gewicht ist, doch die Tiere waren es sich gewohnt oder es war ihnen einfach egal. Es beeindruckte sie auf jeden Fall nicht.

Auch Caroline hatte nichts einzuwenden. Im Gegenteil, sie gab uns noch einen zusätzlichen Wasserkanister für die zweite Etappe mit. Da mussten wir Wasserautonomie für zwei Tage aufweisen (auch für die Esel).

Es war zwölf Uhr, als wir mit Tilleul und Vladimir zu unserem Abenteuer aufbrachen. Die Karten in der Satteltasche, den Strick in der Hand, brachen wir zur ersten Etappe auf. Ich musste mich erst an das langsame Gehen gewöhnen. Die Esel gaben das Tempo vor, auch, als sie auf dem Weg liefen. Zu meinem Entsetzten oftmals auf der abschüssigen Talseite des Pfades. Würden sie stolpern oder ausrutschen, wären sie mit der schweren Ladung gleich dahin.

Doch Esel rutschen eben nicht aus. Sie gehen langsam und sicher. Mit Ihrem Instinkt erkennen sie Gefahren und können den Weg optimal lesen. Dinge, die ich erst noch lernen musste. Wie auch die erste Lektion, die wenig später auf uns wartete: Die Überquerung eines kleinen Baches.

Wohl die liebste Eseltreiberin von uns allen.
Wohl die liebste Eseltreiberin von uns allen.
Luca füllt unseren Wasservorrat auf.
Luca füllt unseren Wasservorrat auf.

Hier standen wir also. Die frisch gebackene Eseltreiberfamilie Güthlin mit zwei Eseln, welche ein kleines Bächlein überqueren möchte, um auf der anderen Seite wieder auf den Wanderweg zu kommen. Um uns herum, eine Horde schaulustiger Touristen, die sich köstlich über unsere Versuche amüsierten.

Die Wegfindung im Bois des Charpennes war nicht einfach.
Die Wegfindung im Bois des Charpennes war nicht einfach.

So oft gefilmt und fotografiert wurden wir schon lange nicht mehr. Ebenso lange hatte ich mich nicht mehr so ausgestellt und hilflos gefühlt. Es half alles nichts: Zureden, Streicheln, Karotte, ziehen, schieben, drohen, mit dem Zweig auf den Hintern schlagen, die Überquerung an einem anderen Ort versuchen.

Doch es kam Hilfe von den Zuschauern. Ein kräftiger Mann trat mit entschlossenen Schritten auf die Esel zu, knallte ihnen mit der glatten Hand eine auf das Hinterteil und Schwups waren die beiden – unter Applaus der Menge – auf der anderen Uferseite.

Ein toller Platz für unser Nachtlager
Ein toller Platz für unser Nachtlager

Woran lag es? Die Esel spürten ganz genau, dass bei dieser Person kein Bocken geduldet wird. Der Entschlossenheit und dem vermutlich geübten Umgang mit Eseln wollten sie sich nicht widersetzen. Ein schneller Blick auf die Karte liess uns aufatmen. Es sollte die einzige Flussüberquerung sein.

Der Weg führte uns durch Wälder und über Wiesen zur Ortschaft Les Pouteils. Ein Winterressort für Skifahrer. Hier füllten wir unsere Wasserkanister für die Nacht auf. Weiter folgten wir dem Wanderweg zur Siedlung Les Bouchards, wo wir die Zivilisation verliessen und den Bois des Charpennes (ein grosses Waldgebiet) betraten. 


Hier galt es die Waldlichtung von les Vordaignes zu finden, was unter den zahlreich vorhandenen Pfaden gar nicht einfach war. Doch schlussendlich steuerten wir ohne Umweg auf die sonnige Wiese zu. Ein Traumplatz für unsere erste Übernachtung!

Beim Kochen und Abendessen wurde es schon merklich kühler.
Beim Kochen und Abendessen wurde es schon merklich kühler.

Doch ans Ausruhen war noch lange nicht zu denken. Absatteln, den Eseln was zu Trinken und zu Essen geben, danach striegeln, Hufe putzen und für die Nacht an einem geeigneten Ort anbinden. Dann die Zelte aufbauen, die Betten herrichten, Kleider verstauen, Abendessen kochen und danach abwaschen. Aufgaben, welche für uns zum täglichen Ritual hervorgehen, wir im Gegenzug jedoch mit grossartigen Erlebnissen in der freien Natur belohnt werden.

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