Fletschhorn Überschreitung
Von Simplon Dorf über den Breitloibgrat auf den dritthöchsten Gipfel der Weissmiesgruppe. Eine Überschreitung des 3’985 Meter hohen Fletschhorns nach Saas-Balmen mit 2'500 Höhenmetern im Auf- und Abstieg.
Donnerstag, 10. August 2023
Der Gedanke, dem Fletschhorn mal einen Besuch abzustatten, war nicht neu. Jedoch die Tour in einem Durchgang und ohne Übernachtung unterwegs von Simplon Dorf aus anzugehen schon. Mit dieser Planung lässt sich eine tolle Überschreitung vom Simplon- ins Saastal unternehmen. Der Plan war somit geboren und Dominik und ich machten uns an die Detailplanung.
Bereits am hochsommerlichen Freitagnachmittag des 08. Juli, machten wir uns auf den Weg und fuhren mit dem Zug ins Wallis. Doch mussten wir damals die Tour am nächsten Tag auf dem Breitloibgrat wegen Niederschlag und plötzlicher Wetterverschlechterung auf einer Höhe von 2‘600 Metern abbrechen und umdrehen.
Rund vier Wochen später befanden wir uns wieder im Zug. Nur hatte dieser einen Defekt, was dazu führte, dass wir aufgrund der Verspätung die letzte Busverbindung von Iselle di Trasquera nach Simplon Dorf nicht mehr erreichten.
Statt in Brig in den Zug durch den Simplontunnel umzusteigen, bestellten wir uns ein Taxi, welches uns in 30 Minuten über den Simplonpass nach Simplon Dorf chauffierte. Das war die einzige Möglichkeit heute doch noch in Simplon Dorf anzukommen.
Unsere Unterkunft war wie beim letzten Mal das sehr sympathische und nett geführte Hotel-Restaurant Grina. Nach einem sehr guten Abendessen war dann auch schon Nachtruhe angesagt.
Freitag, 11. August 2023
Tagwache um 04:00 Uhr. Wir tranken einen heissen Tee aus der Thermosflasche, welche das Hotel für uns bereitgestellt hatte, und assen einen Nussgipfel während wir uns für die Tour bereitmachten. Gesprochen wurde nicht viel. Jeder von uns kannte den Ablauf und wusste was zu tun war. Auch der steile Weg hoch durch den Baholzwald nach Bodme kannten wir noch bestens vom letzten Mal.
Unterhalb des Bodmerhorns wurde es langsam Tag und die blaue Stunde begann. In dieser Zeit war das Bergpanorama besonders schön und entschädigte die Mühen des permanent steilen Aufstiegs.
Von hier aus ging es flacher weiter. Statt bei Pt. 2400 bereits auf den Grat zu wechseln, marschierten wir weiter bis Pt. 2485 und stiegen dann zu Pt. 2527 und somit auf den Breitloibgrat hoch. Den ersten, nicht so spektakulären Teil, hatten wir ja bereits bei unserer letzten Unternehmung zurückgelegt.
Nach einer kurzen Trinkpause, mit dem Pickel in der Hand und dem Helm auf dem Kopf, ging es um 06:50 Uhr weiter auf dem schier endlosen Breitloibgrat. Es folgte eine anregende Kraxelei, die meist auf der Krete erfolgte. Die grösseren Gendarme konnten links oder rechts umgangen oder auch überklettert werden; so wie es einem beliebte. Die Kletterschwierigkeit ging während der ganzen Tour nie über eine III hinaus.
Vorbei an Pt. 2568, Pt. 2818 und Pt. 3211, erreichten wir schliesslich den markanten Steinmann bei Pt. 3332, wo die Aufstiegsroute vom Bivacco de Zen, welche über den Rossbodengletscher führt, mit der Breitloibroute zusammentrifft (10:10 Uhr).
Wir spürten beide die Höhe und mussten das Tempo massiv runterschrauben. Der Puls rauschte durch unsere Adern und zwang uns immer wieder zu einer Verschnaufpause. Eine Akklimatisierung im Vorfeld wäre sicherlich gut gewesen und hätte bewirkt, dass wir geschätzt eine Stunde schneller unterwegs gewesen wären. Doch wie so oft, war es leider nicht möglich. Aber es gab keinen Grund zur Beunruhigung. Das Wetter war stabil, die Bedingungen am Grat perfekt und die Anforderungen hatten wir ebenfalls locker im Griff.
Unterhalb des Firnfeldes bei Pt. 3927 montierten wir die Steigeisen und stiegen hoch zur Wechte, durch welche bereits eine gut ausgebaute Spur führte. Wir entschlossen uns jedoch etwas weniger Steil südwärts hoch zum Pt. 3919 zu steigen. Von hier verlief der Weg dann auf der Krete bis zum Gipfelkreuz des Fletschhorns (13:10 Uhr).
Eine längere Rast gönnten wir uns am panoramareichen Gipfel nicht. Wir wollten möglichst schnell einige Höhenmeter runter, um uns dann zu entscheiden, welche Abstiegsroute wir wählen würden. In einem nördlichen Bogen stiegen wir den Grüebugletscher hinunter mit der Absicht, einen Weg zwischen der Lücke von Pt. 3538 im Westen und dem Pt. 3914 im Osten zu finden. Da waren zwar in der Ferne Spuren zu sehen, doch vor uns befand sich nur wilder, sehr stark zerklüfteter Gletscher.
Immer wieder donnerten in der Westflanke des Fletschhorns Schutt und Steine hinunter, welche bis zu den Spuren reichten. Und auch auf der Nordseite vom Senggjoch und Pt. 3775 rollten regelmässig Steine dahin. Uns war nicht wohl bei dieser Wegführung und wir entschieden uns nach eingehender Prüfung der Optionen für den südseitigen Abstieg über den Grüebugletscher hinunter zu den Grüebu-Seen.
Dies war ebenfalls kein einfacher Weg und wir mussten kreuz und quer über den teilweise steilen Gletscher, um den Spalten auszuweichen. Ich konnte es kaum erwarten, als wir das Ende der Gletscherzunge erreichten und ich endlich die Steigeisen ausziehen und mich vom Seil trennen konnte.
An den faszinierenden Grüebu-Seen fanden wir den perfekten Platz für eine Rast (15:30 Uhr). Die Füsse konnten im Gletscherwasser abgekühlt werden und auf den grossen Felsbrocken fanden wir Platz, um uns mal in der Sonne hinzuliegen und uns vom anstrengendsten Teil der Tour zu erholen.
Von hier aus war der weitere Weg ins Saas-Tal gegeben. Über Wysse Bode erreichten wir Hoferälpi, von wo wir zur Längflüe abstiegen und dem langgestreckten Weg nach Mat folgten. Der wundschöne und angenehm zu gehende Wanderweg blieb uns bis Saas-Balen erhalten. Dort trafen wir um 18:45 Uhr ein und bestellten beim Restaurant "Der Schwiizer" gleich mal (je) zwei grosse Panaché!
Wir waren rund 14 Stunden unterwegs, stiegen 2'500 Höhenmeter rauf und auch wieder 2'500 Höhenmeter runter. Die "Tal zu Tal"-Traverse über das Fletschhorn war erfolgreich beendet :-)
Nach einem weiteren Panaché stiegen wir in den Bus und fuhren nach Saas Grund, wo wir im überteuerten Hotel Adler ein Zimmer für die Übernachtung fanden. Am nächsten Morgen traten wir dann stolz über unsere geglückte Monstertour die Heimreise an. Manchmal benötigt es eben einen zweiten Anlauf. Es war definitiv die richtige Entscheidung gewesen, bei den witterungsbedingten Verhältnissen beim ersten Mal umzudrehen. Auch wenn frustrierend und unangenehm war.