Grosser Diamantstock 3’162m – Ostgrat

Im zweiten Versuch zum Erfolg: Eine souveräne Überschreitung des spektakulären Ostgrades auf den Gipfel des grossen Diamantstocks.

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Donnerstag, 28. Juni 2018

Es ist nie schön, wenn man ein Ziel nicht erreicht. Wenn man trotz Anstrengung, Zeitaufwand, Kosten und Engagement nicht – nun sagen wir mal – belohnt wird. Passender wäre wohl die Ausdrucksweise, dass keine Befriedigung erfolgt, da die Erwartung nicht erfüllt wurde. Doch das klingt so menschlich und ist so nahe am Unwort Versagen.

Ja, Dominik und ich versuchten bereits im Jahr 2014 den Gipfel des Grossen Diamantstocks über den Ostgrat zu erreichen. Doch verschiedene Umstände führten zum vorzeitigen Abbruch der Tour. In meinem damaligen Bericht habe ich dann auch eingehend darüber geschrieben was alles dazu geführt hatte, da mich der Vorfall beschäftigte und auch ärgerte.

Auf dem Bächlisboden beim Aufstieg zur Hütte.
Auf dem Bächlisboden beim Aufstieg zur Hütte.

Die Erkenntnisse waren folgende:

  • Im Oktober hat man nicht mehr die gleiche Anzahl Sonnenstunden wie im Sommer
  • Bessere Vorbereitung hätte nicht geschadet
  • Dann hätte ich auch die Friends und Keile eingepackt
  • The early bird catches the worm!
  • Fällt die Seilschaft ins Ungleichgewicht, ist dies schwierig zu korrigieren
  • Ist die Unsicherheit in die eigenen Fähigkeiten erst mal da, geht sie so schnell nicht wieder
Der Diamant im Morgenschein.
Der Diamant im Morgenschein.

Vier Jahre später waren wir nun wieder unterwegs zur Bächlitalhütte und das Rezept, dass es dieses Mal gelingen wird, war folgendes:

  • Statt Oktober waren wir im Juni unterwegs. Gutes Wetter war angesagt. Wir haben also fast unendliche Sonnenstunden.
  • Die Vorbereitung war tadellos. Wir haben die Topos im Vorfeld sorgfältig studiert, kopiert und in der Jackentasche verstaut. Wir kennen den Weg!
  • In den letzten vier Jahren haben wir noch besser gelernt, die Route selbstständig abzusichern. Zudem gilt bei uns nun seit Jahren der Slogan: Take always a small rack with you! Davon hatten wir zwei dabei. Wir können die Route komplett selbstständig absichern.
  • Kein Alkohol am Vorabend, früh in den Hüttenschlafsack, früh am morgen aus diesem wieder raus!
  • Wir waren mental ready für die Tour – haben uns ja schliesslich auch vier Jahre dafür Zeit gelassen.
Dominik im Aufstieg.
Dominik im Aufstieg.

In der Bächlitalhütte angekommen, durften wir uns im «Bergführer-Zimmer» einquartieren. Wenn das nicht ein gutes Omen ist! 

Freitag, 29. Juni 2018

Das neblige, feuchte Wetter von gestern Nachmittag hatte sich verzogen. Über uns nur tiefblauer Himmel und die aufgehende Sonne, welche langsam die Ostwand des grossen Diamantstocks erhellen liess. Der Grat zeigte sich während des gesamten Aufstiegs von seiner schönsten Seite. Ein Bijou schlechthin in dieser faszinierenden Berglandschaft.

Und los geht es in die erste Seillänge.
Und los geht es in die erste Seillänge.

Um 06:30 Uhr befanden wir uns bereits beim Einstieg bei der Unteren Bächlilicken auf 2’746m. Die zwei ruppigen 4er Seillängen hoch auf den Grat hatten wir bald hinter uns und wir genossen fortan die genussvolle Gratkletterei.

Von wilden Querungen bis hin zu ausgesetzten Gratstellen ist alles vorhanden, was des Alpinkletterers Herz erfreut. Ab und zu findet sich auch ein Haken, aber wie üblich gilt der schöne Satz, welchen wir uns aus dem Rockfax Kletterführer zu Eigen gemacht haben: "Bring a small rack!" Die Friends sind an der einen oder anderen Stelle hilfreich und Schlingen sollte man sowieso genug dabei haben. Aber wie eingehens erläutert: Wir waren vorbereitet und konnten die Tour in vollen Zügen geniessen!


Um 11:00 Uhr erreichten wir den Gipfel und genossen das herrliche Panorama! Vor allem der Rückblick auf den Grat war beeindruckend! Sieht schwieriger aus als es war…. einfach faszinierend! Doch noch war die Tour nicht zu Ende. Wie jedes fordernde Gipfelziel ist auch der sichere Abstieg zur Hütte eine Herausforderung, die Konzentration, Kraft und Teamarbeit erfordert.

Wir kletterten die SW-Grat den Steinmännern folgend hinunter bis zu einer schuttigen Rinne, dann weiter in Richtung Pt 3'127, wo wir etwas tiefer unten (ostseitig) auf die Abseilstelle trafen. Hier seilten wir runter auf das bestehende Schneefeld, folgten dem Pfad in Richtung Norden und trafen dort abermals auf eine Abseilstelle. Diese brachte uns schliesslich auf den Bächligletscher von wo wir unseren Abstieg zur Bächlitalhütte fortsetzten.

Auf dem höchsten Punkt des grossen Diamantstocks!
Auf dem höchsten Punkt des grossen Diamantstocks!

Auf der Sonnenterrasse der Hütte liessen wir es uns schliesslich gutgehen! Wir hatten es geschafft, hatten aus den vergangenen Fehlern gelernt und durften über die erfolgreiche Tour stolz sein. Den Nachmittag an der Sonne bei üppiger Brotzeit und Bier, Kuchen und Kaffee werde ich so schnell nicht vergessen. Wir waren zufrieden und glücklich.

Olli beim Abstieg
Olli beim Abstieg

Samstag, 30. Juni 2018

Den Samstagvormittag verbrachten wir in den Klettergärten der Bächlitalhütte. Viele Sektoren waren vom schmelzenden Schnee nass, beim "Bodäwäg" fanden wir jedoch einen herrlichen, trockenen Felsen in der Sonne.

Kurz vor der Bächlitalhütte. In der Hintergrundmitte der erfolgreich bestiegene grosse Diamantstock.
Kurz vor der Bächlitalhütte. In der Hintergrundmitte der erfolgreich bestiegene grosse Diamantstock.

Dort kletterten wir folgende Routen

  • StrHess 5b+
  • Kusi 6a
  • Blabla 5c
  • Scharf wie Senf 5b+
  • Gewaltig 6b
  • Cortado 6b+ (top rope)
Die Bächlitalhütte im Bergpanorama!
Die Bächlitalhütte im Bergpanorama!

An diesem Morgen hatte ich wohl den spektakulärsten Sturz meines bisherigen Lebens und musste schmerzhaft eine Lektion lernen, welche ich nie mehr vergessen würde. Folgendes ist passiert: Die Route "Gewaltig" verläuft im oberen Teil einem Riss entlang nach rechts querend. Der untere Teil verlief vertikal, so hatte ich das Seil zwischen den Beinen als ich traversierte. Aufgrund ungenügender Körperspannung rutsche ich mit den Füssen weg, wobei sich das Seil an meinem linken Oberschenkel verfing. Ich stürzte also regelrecht mit meinem Bein in das Seil was dazu führte, dass es mich um 180 Grad überschlug und ich nach einer ewig angefühlten Sturzzeit mit dem Kopf nach unten im Seil baumelte! Helm hatte ich keinen an – wir waren ja schliesslich in einem gut abgesicherten Klettergarten mit keinem Steinschlagrisiko.

Seit diesem Erlebnis habe ich den Helm immer auf; egal wo und was ich klettere. Und auch das Seil ist bei den Querungen nicht mehr zwischen, sondern neben meinen Beinen. Die  farbliche Markierung am Oberschenkel erinnerte mich noch fast zwei Monate daran und liess mich dies verinnerlichen!

Dominik in der Route Cortado
Dominik in der Route Cortado

Bevor wir ganz nach Hause fuhren, legten wir am Lungerensee noch einen Badestopp ein und rundeten damit die tollen Klettertage würdevoll ab.

Abstieg zum Räterichsbodensee im Meer der Alpenrosen.
Abstieg zum Räterichsbodensee im Meer der Alpenrosen.

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