Die Hochkalterüberschreitung (2607m)

Biwakieren am Gipfelkreuz des Hochkalters: Der Genuss der Einfachheit des Bergsteigerlebens.

Sonnenaufgang am Gipfelkreuz: Ein Moment der unter die Haut geht.
Sonnenaufgang am Gipfelkreuz: Ein Moment der unter die Haut geht.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Was ist das nur für eine absurde Idee, am Abend alleine einen alpinen Berg zu besteigen, um auf dessen Gipfel zu übernachten und den Sonnenaufgang mit zu verfolgen? So absurd klingt das doch im ersten Moment gar nicht. Doch als ich mit schwerem Rucksack, nur im Schein der Stirnlampe am dunklen, nebelverhangenen Gipfelanstieg des Hochkaltermassivs den Weg suchte, machte sich trotzdem diese stupide Frage in meinem Kopf breit.

Blick vom Hintersee auf das Hochkaltermassiv
Blick vom Hintersee auf das Hochkaltermassiv

Doch beginnen wir ganz am Anfang. Ich wollte schon seit Jahren auf dem Hochkalter biwakieren, um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Doch wie das Wetter im Sommer so oft will, wurden für die Abende immer Gewitter vorhergesagt, was mich von einer Begehung abhielt. Doch am heutigen Tag war das anders. Bereits am Nachmittag donnerte und blitzte es heftig, und die Spannung am Himmel entlud sich kräftig. Danach würde für die nächsten 12 Stunden eine Schönwetterphase auf uns zukommen, sagten die Meteorologen

Und los geht's!
Und los geht's!

Ich packte also die Gelegenheit und fuhr am frühen Abend los nach Ramsau bei Berchtesgaden. Den Gebirgszug des Hochkalters kannte ich bereits durch meine Wanderung auf die markante Schärtenspitze. Einmal mehr erfreute ich mich der Schönheit des Hintersees und des dahinter liegenden Nationalparks.

Um zwanzig vor sieben lief ich schliesslich beim (kostenpflichtigen) Parkplatz am Hintersee los. Gewählt hatte ich den Weg über das selten begangene Ofental. Ich war ganz schön überrascht, dass es gemäss dem Wegweiser über diese Aufstiegsvariante sieben Stunden bis zum Gipfel dauern sollte! Doch war ich schon mal da, hatte eine Stirnlampe dabei, Verpflegung und gutes Wetter. „Was soll’s. Bin ich halt erst nach Mitternacht oben.“ Dann schritt ich los.

Die Sonne verabschiedet sich.
Die Sonne verabschiedet sich.

Die Nationalpark-Informationsstelle liess ich schnell hinter mir. Nicht, dass mich noch jemand von meinem Vorhaben abbringen würde. Bald war ich im Wald auf dem Wanderweg 482 und mir kam niemand mehr entgegen. Langsam machte sich die Abendstimmung breit. Die Sonne schien in einem warmen gelb über die Spitzen der Mühlsturzhörner und erzeugte ein behagliches, wohliges Licht.

Ich stieg immer höher und erreichte noch vor Sonnenuntergang das Ofental. Dann folgte der Pfad über losen Schotter und Firnfelder in Richtung Schönwandeck. Der Weg wurde immer beschwerlicher. Jeder Schritt, den ich aufstieg, rutschte ich wieder um die Hälfte hinunter. Ich war schon einige Zeit mit eingeschalteter Stirnlampe unterwegs, als endlich auf die Schotterfelder fester Fels folgte.

Abendessen...
Abendessen...

Nebel zog ein und damit die Kälte. Bis anhin war ich sehr flott unterwegs. Bestimmt würde ich keine sieben Stunden bis zum Gipfel benötigen, doch langsam spürte ich die aufgestiegenen schon fast 2‘000 Höhenmeter in den Beinen. Nun folgten die Kletterpassagen und somit auch ein wenig Abwechslung. Das Gipfelkreuz entdeckte ich erst wenige Meter vor dem Erreichen in der Nebelsuppe nach gut vier Stunden. Würden die Verhältnisse so bleiben? Ein aufziehendes Gewitter würde ich gar nicht bemerken? Stimmten die Wettervorhersagen wirklich?

Gute Nacht.
Gute Nacht.

Diese und weitere Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich vergebens einen ebenen Schlafplatz suchte. Der Gipfel bestand aus vielen Felsbrocken mit einigen Sitzgelegenheiten. Doch zum schlafen war nicht viel Platz übrig. Schliesslich liess ich mich in einer Scharte etwa einen Meter unterhalb des Gipfelkreuzes nieder. Am höchsten Punkt war es zu windig. Nach einer Brotzeit und einem guten Schluck Wein, war ich schliesslich schnell in meinem Schlafsack.

Ich hielt es fast nicht für möglich, doch wenige Augenblicke später klarte der Himmel auf und ich bekam einen glänzenden, makellosen Sternenhimmel zu Gesicht. Sogar der Wind schwächte ab und liess dem Vergnügen der Sternenbeobachtung freien Lauf. Da waren die (mir) bekannten Sternenbilder; die vielen Unbekannten; die Milchstrasse; die Sternschnuppen, die glimmend herunterschweiften; und die vielen Satelliten, die in hoher Geschwindigkeit vorbeirauschten.

Noch einige Male erwachte ich in der Nacht (der Platz war ja nicht der gemütlichste) und immer wieder musste ich das Lichtermeer bestaunen. Doch die Müdigkeit brachte mich wieder zurück in den Schlaf.

Donnerstag, 24. Juli 2014

Blick auf die Uhr: Erst 04:00 Uhr. Es war schon hell obwohl die Sonne noch hinter den Bergen war. Um 05:36 Uhr sollte der Sonnenaufgang sein. Ich konnte es kaum erwarten. Um 05:00 Uhr konnte ich nicht mehr still liegen. Ich positionierte die Fotokamera, testete verschiedene Einstellungen aus und überlegte mir mögliche Aufnahmeszenarien.

Ich hatte ja nur einige Minuten, um den Sonnenaufgang „in den Kasten“ zu bringen. Schliesslich war es soweit. Der Himmel färbte sich gelblich - die rote Kugel erschien am Horizont. Was für ein Anblick.

Blick auf Wimbachgries und steinernes Meer mit Schönfeldspitze
Blick auf Wimbachgries und steinernes Meer mit Schönfeldspitze

Auch die Bergnachbarn Watzmann und Göll bekamen Farbe. Das Steinerne Meer mit der Schönfeldspitze erwachte, und auch das Ofental, durch welches ich gestern aufstieg, konnte ich nun bei Tageslicht betrachten.

Blick zurück zum Gipfel.
Blick zurück zum Gipfel.

Nach einigem Geniessen packte ich meine Sachen zusammen. Der Abstieg über die Gipfel Kleinkalter (2‘513m), Rotpalfen (2‘367m) und Schöner Fleck (2‘000m) benötigte einiges an Aufmerksamkeit und Konzentration. Hinunter zur Blaueishütte war nochmals Kletterei im zweiten Grad angesagt. Mit meinem schweren Rucksack und angehängter Fotoausrüstung nicht immer so einfach, doch im Allgemeinen gut machbar.

Zurück am Hintersee.
Zurück am Hintersee.

Die Blaueishütte passierte ich nach 1,25 Stunden und setzte ohne Pause den weiteren Abstieg fort. Den Weg zur Schärtenalm kürzte ich durch einen Waldpfad ab. Bald erreichte ich den grossen Parkplatz an der Seeklause. Am Hintersee (789m) verpflegte ich mich erst nochmals, bevor ich dann um 09:15 Uhr nach drei Stunden wieder mein Auto erreichte.

Eine verrückte Tour also, an der ich total Spass hatte!

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