Kampenwand – Südwand
Über die Route Südostwand auf den Hauptgipfel der Kampenwand.
Donnerstag, 21. April 2022
Die Überschreitung der Kampenwand im Jahre 2019 hatten Tanja und ich noch in guter Erinnerung. Dazumal überschritten wir den kompletten Grat von Westen nach Osten. Dabei sahen wir auch auf die zahlreichen Routen der Südseite hinunter, welche hoch auf den Hauptgipfel führten.
Die letzten Jahre konnten wir Corona-bedingt nicht wieder zu diesem Berg zurückkehren, und auch in diesem Jahr liess uns das Aprilwetter während unseres Ferienaufenthalts in Bayern bis kurz vor Aufbruch zittern.
Doch es sollte klappen. Kurz nach 09:00 Uhr sassen wir in einer der alten Gondeln, für dessen Berg- und Talfahrt wir einen überteuerten Preis bezahlt haben. Mittlerweile verlangt die Kampenwandseilbahn GmbH dafür stolze € 23,50; in den Sommermonaten sogar € 27.-. Nach dieser Rechnung wirkt die nostalgische Blechkiste noch touristischer.
Auf der Sonnenalm angekommen, empfingen uns trotz strahlendem Sonnenschein tiefe Temperaturen und ein kühler Wind. Rings um uns herum lagen noch Schneereste, welche an die jüngst vergangene Wintersaison erinnerten. Eingepackt in all unsere Kleider, liefen wir los in Richtung der Kampenwandhütte mit der Hoffnung, dass es auf der Südseite windstill und somit wärmer sein würde.
Wir folgten dem steilen und teilweise weggerutschtem Pfad hinunter zum Fuss des Westgipfels (T4). Dies war bereits ein erstes kleines Abenteuer. Hier war es bereits wärmer und wir kamen langsam ins Schwitzen. Oder war es wegen der Ausgesetztheit des Pfades? Fehler darf man sich in diesem Gelände keine erlauben.
Am Fusse des Gmelch- und Teufelsturm vorbei, erreichten wir bald die Südwand des Kampenwand Hauptgipfels. Hier galt es erst die Routen zu finden. Angeschrieben ist hier leider keine. Doch nach ein wenig Beobachtung, fanden wir schliesslich den korrekten Einstieg zur Route Südostwand (6-, 5SL, 150m), für welche wir uns entschieden haben.
Der Einstieg befindet sich auf einer kleinen Kanzel, gleich neben einem Baum. Die Südostwandroute ist gemäss dem Kletterführer Bayrische Alpen (Band 1) mit 3 Sternen bewertet und bietet abwechslungsreiche Kletterei in festem Fels mit Überhang, Platten, Rissen und Verschneidung. Von allem etwas – cool.
Die ersten drei Seillängen stellten kein Problem dar. Der Überhang in der 1. SL (6-) ist mit Borhacken gut gesichert, die zweite eher einfache Seillänge (III) lässt sich gut selbst absichern und auch die Wasserrille und anschliessende Platte der 3. SL (5-) liessen sich genüsslich überklettern.
Was hingegen in punkto Absicherung mehr als fragwürdig ist, sind die letzten beiden Seillängen der Route. Die 4. SL (5-) hat auf ihrer Länge von 30 Meter gerade mal einen einzigen Borhacken. Selbst was zu legen ist in der Rissverschneidung schwierig. Die 5. SL (5+) hat auf der Seillänge von 35 Metern 2 Borhacken und nur im oberen Bereich eine Möglichkeit für die Platzierung eines Friends (im Riss).
Meines Erachtens muss so etwas nicht sein. Die Sicherheit sollte vorgehen. Die Route würde deswegen nicht an Attraktivität verlieren. Ich bin mir gewohnt, mit Friends und Keilen selbst Sicherungen anzubringen, wenn jedoch nicht die Möglichkeit dazu besteht, hört bei mir der Spass auf.
Entsprechend froh war ich, heil den Hauptgipfel erreicht zu haben. Für Tanja im Nachstieg war die Route natürlich bedenkenlos und genüsslich. Dafür durfte sie den Rucksack mitschleppen. Leider blies auf dem Grat ein bissiger, kalter Wind. An eine Pause war nicht zu denken. Unsere Finger wurden immer kälter und die Manöver entsprechend umständlicher.
Wir kletterten am kurzen Seil weiter in Richtung Osten, seilten zweimal ab, und stiegen dann die Schlechinger-Scharte hinunter. Auf der Nordseite lag immer noch meterhoher Schnee. Es erwies sich schon als richtig, auf der Südseite zu Klettern und auch diese Abstiegsvariante zu benutzen.
Der Rückweg zur Sonnenalm war der gleiche wie der Hinweg. Die Bewegung wärmte uns wieder auf. Als wir beim Restaurant ankamen, war es bereits kurz vor 16:00 Uhr. Es gab noch was zu Trinken, aber die Küche war bereits geschlossen. Um diese Jahreszeit befindet sich der Betrieb der Restaurants und Bahnanlagen in der Zwischensaison.
Dass wir Hunger hatten und etwas bestellen wollten, bekamen auch unsere Tischnachbarn mit. Kurzum wurden wir mit Käse, Brot und Apfel aus deren Rucksack beglückt. Sie hatten vor ein paar Tagen die gleiche Erfahrung gemacht wie wir. Sie mussten dann hungrig absteigen. Damit dies nicht nochmals passiert, hätten sie fortan immer etwas zu Essen mit dabei. Davon konnten jetzt auch wir profitieren.
Um 16:30 Uhr fuhr schliesslich auch die letzte Gondel hinunter nach Aschau, welche es nicht zu verpassen galt. Auf der Fahrt hinunter endeckten wir noch zahlreiche weitere Wände und Felsen, welche man besteigen könnte. Doch beim nächsten Mal werde ich mich besser bzgl. der Absicherung der Routen schlau machen. Denn zur Wiederkehr lädt die Kampenwand unbestritten ein. Der Blick auf das Bayrische Meer (Chiemsee) und die umliegende, hügelige Berglandschaft sucht Seinesgleichen.