Arlspitze & Schuhflicker
Klettern im Schitouren- und Wanderparadies Grossarltal.
Montag, 20. Juli 2020
Es hat sich regelrecht eingebürgert, dass Tanja und ich, wenn wir in Bayern sind, einen kinderfreien Tag für uns haben. Zwar entsprach das heutige Programm sicherlich nicht Tanja's Grundgedanken eines relaxenden Pärchen-Tags, doch sollte das heutige Programm abends sicherlich einen guten Schlaf ermöglichen.
Die Kinder am Vorabend zum Bayern-Opa gebracht, läutete auch schon wieder um 06:00 Uhr der Wecker am nächsten Morgen. Gut, 15 Minuten zusätzliche Bettruhe lasse ich noch gewähren. Kurz vor 07:00 Uhr standen wir bereits beim Bäcker und deckten uns mit Kaffee und Frühstücksbrötchen ein.
Für Tanja gab es eine Stunde extra Schlaf. In dieser Zeit fuhr ich von Salzburg auf der A10 in Richtung Graz. Unser heutiger Kletterausflug sollte uns zur Arlspitze im österreichischen Grossarl bringen. In gut einer Stunde erreichten wir die grossartige Bergregion, welche im Winter ein Mekka für Wintersportler ist.
Klettern und Bergsteigen ist hier eher ein Nebenschauplatz, doch das Kleinod an der 70 Meter hohen Kalknadel lockte bereits 1970 die ersten Kletterer hierher. Gespannt fuhren wir mit dem Auto die lange, steile und kurvenreiche Alpstrasse hoch. Weiter oben ging es bis zur wunderschönen Bergwirtschaft Aualm (1'705m) auf der Kiesstrasse weiter.
Das Auto stellten wir auf dem grossen Parkplatz vor der Aualm ab und folgten dem Wegweiser in Richtung Schuhflicker. Die einzigartige Landschaft faszinierte auf anhin. Saftig grüne Wiesen und Hügel auf welchen Pferde weiden, vereinzelte Tannen und blühende Alpenrosen, voralpine Gipfel und am Horizont das Felsmassiv der Arlspitze zu sehen sind.
Langsam näherten wir uns dem Einstieg. Als erste Route würden wir "Für Rosi" (5+) klettern, welche in drei Seillängen weit östlich des Hauptgipfels über eine schmale Felsrippe hinaufführt.
Tolle, ausgesetzte Genusskletterei mit zahlreichen originellen Kletterstellen wird "Rosi" im Kletterführer Best of Genuss vom Panico Alpinverlag angepriesen. Doch nach den Seillängen bin ich etwas enttäuscht. Die Stände sind nur in der letzten Seillänge eingerichtet, die Absicherung ist auch nicht grossartig und die interessanten Kletterstellen meist (zu) kurz. Doch die tolle Landschaft macht alles wieder gut.
Vom Ausstieg am Gipfel kraxelten wir hinunter zum Wanderweg und statteten anschliessend dem markanten und wirklich wunderschönen Gipfel des Schuhflickers (2'214m) einen Besuch ab. Doch wir mussten uns auf dem schmalen Pfad zum Gipfelkreuz einreihen; zu jenem Zeitpunkt waren Herrschaften von Wanderern unterwegs.
Wir stiegen den Wanderweg hinunter und weiter über einen Grashang zurück zum Einstieg, wo wir unsere Rucksäcke deponiert hatten. Da gab es erst mal unsere mitgebrachten Sandwiches und etwas zu trinken. Schliesslich querten wir unterhalb des Felsmassivs nach Westen zu einem Kreuz auf einer markanten Graskuppe, wo wir wieder auf den Wanderweg trafen.
Etwas weiter diesem folgend, erreichten wir das steile Grasband, welches bis zum Wandfuss der Arlspitze reichte. Hier mussten wir erst mal den Einstieg der Route "Südostkante" (6) suchen, denn es fehlte an Wegspuren und die zahlreichen Kletterrouten sind nicht angeschrieben. Anscheinend wird hier nicht mehr so oft geklettert. Auch die Routen an den umliegenden Felsen schienen teilweise stark bewachsen und nicht mehr begangen aus.
Doch die "Südostkante" glänzte! Nicht nur mit schimmernden, neuen Bohrhaken, sondern auch mit toller (sehr) ausgesetzter Wand- und Pfeilerkletterei. Die Bolts sind optimal besetzt und auch die Schlüsselstelle (6+/6a) lässt sich gut A0 überwinden.
Mit dem 60 Meterseil lassen sich die letzten zwei der total drei Seillängen zusammenfassen. Der Stand erfolgt am Gipfelkreuz (2'150m), welche majestätisch auf der Nadel thront.
Das Abseilen erwies sich fast als schwieriger als der Aufstieg! So muss man mit einem 60 Meter Einfachseil erst einige Meter in rutschigem und gerölligem Gelände zur Abseilstelle der Route "Hüttschlager Weg" absteigen (in den Kletterfinken) und schliesslich erst 10, dann 20 und nochmals 25 Meter abseilen. Die ganze Abseilerei ist stark steinschlaggefährdet und bedingt höchste Vorsicht, sollten noch weitere Kletterer in der Wand sein!
Bei der Anzahl von Ständen haben wir die Übersicht verloren und haben wahrscheinlich bei der letzten Abseilstelle die falsche erwischt… Das Seilende schwebte einen Meter über dem Boden. Zum Glück gibt es die Seildehnung!
In der Zwischenzeit war es schon 16:00 Uhr und im Eilschritt wanderten wir den inzwischen komplett menschenleeren Wanderweg hinunter zur Aualm. Nach einer Erfrischung gings dann gleich heimwärts, denn die Kinder warteten und die Oma hat was Leckeres gekocht. Vor allem für das Letztere wollten wir nicht zu spät kommen :-)