Weinwanderung im Elsass
Eine kulturelle und kulinarische Weitwanderung entlang den Weinfeldern von Molsheim nach Colmar (73 km).
Samstag, 22. Oktober 2022
Als ich das Haus verlasse, regnet es noch leicht. Ein richtiger Herbstmorgen. Es riecht nach Falllaub. Der Herbstduft und das Rauschen der herabfallenden Regentropfen begleiten mich auf dem Weg zur Busstation. Mein Ziel ist Molsheim, eine kleine elsässische Gemeinde circa 20 Kilometer westlich von Strassburg in Frankreich. Mit Bus und Zug gelange ich nach Basel, wo ich am französischen Bahnhof Dominik treffe.
Die Spannung steigt, denn in der letzten Woche streikten die Zugfahrer in Frankreich einmal mehr. Die Unzufriedenheit der Arbeitsbedingungen und die Forderungen nach mehr Lohn ist immer wieder Thema. Und deshalb ist man derzeit nie ganz sicher, ob die öffentlichen Transportgesellschaften verlässlich sind.
Das Streikende war auf diese Nacht 24:00 Uhr angekündigt und zu unserem Wohlwollen haben sich unsere französischen Nachbarn auch darangehalten. Pünktlich um 08:21 Uhr fuhr der „Train Express Regional 96214“ los.
Die Fahrt nach Strassburg dauerte knapp eineinhalb Stunden. Durch die dreckigen und beschlagenen Fensterscheiben konnte man schwach erkennen, dass sich draussen ein sonniger Tag ankündigte. Warum sind die Fensterscheiben französischer Zugwagons immer so dreckig?
Beim Umsteigen in Strassburg war es noch merklich kühl, doch ein prächtiger Herbsttag stand an. Der Zug nach Molsheim fuhr nur wenig später los. Nach weiteren 15 Minuten trafen wir schliesslich am Bahnhof ein und unsere Wanderung begann.
Die erste Ortschaft, welche wir anpeilten, war Dorlisheim. Zu Beginn liefen wir noch durch Siedlungsgebiet, ehe wir schliesslich ausserhalb der Gemeinde an gold-gelb schimmernden Weinfelder entlangwandern durften.
Bald erreichten wir den mittelalterlichen Ort Rosheim. Gleich nach dem Passieren des grossen Stadttors ins Ortsinnere, fällt dem Besucher die grosse romanische Pfarrkirche St. Peter und Paul auf. Sie wurde zurück auf das erste Drittel des 12. Jahrhunderts datiert und ist der zentrale Blickfang.
Doch vor deren Besichtigung hatten wir erst mal nur Augen für einen Kaffee und was Süsses. Denn gleich gegenüber der grossen Kirche ist die Boulangerie Rohmer. Dort gab es im Salon de Thé ein Café au Lait und eine Portion Vermicelle!
Gestärkt setzten wir unsere Wanderung entlang den mannigfaltigen Weinfeldern fort. Über Bischoffsheim erreichten wir die grössere Ortschaft Obernai. Durch die wunderschöne Innenstadt schlendernd, fanden wir das originelle Restaurant „Zum Schnogaloch“. Die Tische im Hinterhof luden zum Verweilen ein und wir beschlossen, hier unsere Mittagspause einzulegen.
Hungrig wie wir waren, bestellten wir „Choucroute SCHNOGALOCH“. Was deftiges aus der Elsässer Küche. Die Platte für zwei Personen beinhaltete Würste, Speck, Rippli, Kartoffeln und eben das Sauerkraut. Das Ganze wurde auf dem Tisch dann mit einem „Arrosé de vin pétillant“ (Schaumwein) übergossen. Dazu gab es einen lokalen Gewürztraminer/Muscat-Wein. Dieser schmeckte uns jedoch nicht besonders und wir bestellten noch einen Edelzwicker nach.
Mit vollen Bäuchen schritten wir weiter. Immer gegen Süden in einer mehr oder weniger geraden Linie. Links und rechts von unserem Weg die Weinfelder.
In regelmässigen Abständen kamen wir durch kleine Ortschaften, welche alle von der Vergangenheit erzählten. Gemeinsam hatten sie alle, dass mindestens eine (kolossale) Kirche Ihr Zentrum markierte, welche aus dem lokalen Sandstein gefertigt wurde. Sie zeugen von dem hier stark vertretenen Christentum der Vergangenheit.
Vorbei an den Ortschaften Heiligenstein und Barr, erreichten wir nach 26 Kilometern die Ortschaft Andlau. Hier hatten wir im Hotel Le Kastelberg ein Zimmer reserviert. Auch beim Abendessen blieben wir unserem kulturellen und kulinarischen Ausflug treu. So gab es zur Vorspeise Weinbergschnecken, welche in sogenannten "Schneckenpfännchen" mit Kräuterbutter im Backofen zubereitet werden. Dazu gab es, was am besten dazu passt: Wein, der vor der Haustüre wächst.
Sonntag, 23. Oktober 2022
Es ist kurz vor 08:00 Uhr. Langsam steigt die Sonne am nebelverhangenen Horizont auf. Auch wir sind schon wieder unterwegs.
Der Tag bricht gerade an, als wir Andlau in südlicher Richtung verlassen. Die rot-orange Sonnenkugel hat noch Mühe sich durch die Nebelschwaden durchzuringen. Doch ein wunderbarer Herbsttag kündigte sich an.
Im Gegensatz zum gestrigen Tag, haben wir unsere heutige Route noch mehr entlang von Weinfeldern und über ungeteerte Strassen geplant. So können wir rund 80 Prozent des Weges auf Wander-, Kies- und Nebenstrassen bestreiten.
Die Ortschaften Itterswiller, Nothalten und Blienschwiler liessen wir schnell hinter uns. Dabei begleitete uns eine ruhige, friedliche, ja schon fast mystische Morgenstimmung.
Vorbei an Dambach-la-Ville, Dieffenthal und Scherwiller, passierten wir in einem weiten Bogen die grössere Ortschaft Selestat. Gerne wären wir unterwegs in einer Weinstube, einem Kaffee oder Restaurant eingekehrt, um den elsässischen Wein zu degustieren oder uns mit Spezialitäten zu verköstigen. Doch auf offene Weinkeller in den Dörfern oder auf den Weingütern trafen wir leider auf dem gesamten Weg nicht.
Trotzdem setzte ich mich ein wenig mit den Weinarten auseinander. Schliesslich befanden wir uns zwei Tage in Traubenfeldern. Die Elsässer Weine der "Appellation d’Origine Contrôlée" (A.O.C) tragen im Allgemeinen den Namen der Rebsorte. Im Elsass gibt es 7 Rebsorten:
- 6 weisse Weine: Sylvaner, Pinot Blanc, Riesling, Muscat d’Alsace, Pinot Gris, Gewürztraminer
- 1 Rosé oder Rotwein: Pinot Noir
Werden die weissen Rebsorten miteinander kombiniert, spricht man von einem Edelzwicker. Dabei handelt es sich meist um einen harmonischen Wein, der sich ideal für Vorspeisen eignet.
In der Ortschaft Bergheim fanden wir schliesslich ein Restaurant, das geöffnet hatte. Der Innenhof der originellen und gemütlichen Residence La Cour Du Bailli, war der perfekte Ort für unsere Mittagsrast.
In Ergänzung zum Vortag, setzten wir auch heute unsere kulinarische Reise fort. So gab es den traditionellen Elsässer Flammenkuchen und dazu ein grosses Bier aus der Region. Weshalb ein Bier und nicht Wein? Nun ja, die bislang probierten Weine hatten uns nicht überzeugt. Hierfür waren wir vermutlich einfach nicht an den richtigen Ort gelangt, um an guten, lokalen Wein zu kommen. Hinzu kam, dass wir riesigen Durst hatten und ganz schön dehydriert daherkamen.
Lange verweilten wir in dem schmucken Restaurant jedoch nicht. Vor uns lag noch ein langer Weg bis zum Bahnhof von Colmar - dem Zielort dieser Wanderung. Ein bisschen weniger als die Hälfte des Weges hatten wir noch vor uns.
Wir durchquerten die Weinfelder von Ribeauville, Hunawihr, Riquewihr und steuerten langsam von Westen her durch die Vorsiedlungen von Colmar. Die letzten Kilometer verliefen auf Teerstrassen, ehe wir nach den heutigen 47 gegangenen Kilometern den Bahnhof erreichten.
Auch hier hatte, ausser dem kleinen Bahnhofskiosk, kein Restaurant oder Einkaufsladen geöffnet. Gerne hätten wir auf die gegangenen 73 Kilometer der letzten zwei Tage mit einem Bierchen angestossen, doch blieb uns nur die Bestellung eines durchwegs gutem Original Orangina aus dem Automaten.
Doch Erinnerung soll nicht trüben. Gerne denke ich an die goldfarbenen Weinfelder des Elsass zurück. Sicher wird sich ein anderes Mal die Gelegenheit ergeben, feinen Wein aus der Region zu trinken.